Ein Prunkbau für die Öffis
Die schwedische Stadt Göteborg bekommt einen neuen Bahnhof mit dem glanzvollen Namen Gothenburg Grand Central. Der Entwurf knüpft an die monumentalen Prunkbauten der Vergangenheit an – in höchst innovativer und klimafreundlicher Bauweise.
Waren Bahnhöfe einst monumentale Bauwerke, die als Symbolträger für Fortschritt und Moderne galten, so war ihren Nachfolgern im Lauf der Jahrzehnte die Strahlkraft abhanden gekommen. Abgesehen von Erschließungsräumen und Verkehrswegen lieferten sie hauptsächlich Platzhalter für Wegweiser, Reklame und Shops und waren irgendwann von Einkaufscentern kaum mehr zu unterscheiden. Erst in jüngster Zeit bekommen Bahnhöfe wieder ihr monumentales Auftreten zurück und werden erneut mit Symbolkraft beladen: als Wahrzeichen einer neuen Mobilität, die sich der planetaren Grenzen bewusst ist. Als Beispiele dafür dienen Henning Larsens prägnanter Holzbau für die Erweiterung des Prager Hauptbahnhofs, ebenso wie das jüngste Bahnhofsprojekt von Reiulf Ramstad Arkitekter. Das Architekturbüro mit Hauptsitz in Oslo ist für das Bahnhofsgebäude Gothenburg Grand Central zuständig, das den größten von drei Zugängen zum neuen, unterirdischen Bahnhof Centralen bildet. Er ist Teil des Eisenbahn-Ausbauprojektes Västlänken, das eine bessere Verbindung innerhalb Göteborgs und in Westschweden schafft.
In der Tradition europäischer Metropolen waren Bahnhöfe oft Kathedralen der Moderne, die heute von großem kulturellem und historischem Wert sind. Ausdruck und Architektur des Bahnhofsgebäudes müssen daher ebenso zeitlos wie zukunftsweisend sein.
Reiulf Ramstad Arkitekter
Dieser neue Bahnhof steht ganz im Zeichen der Monumentalbauwerke der Vergangenheit. „Wir erleben eine Art Renaissance der Eisenbahn und ihrer Knotenpunkte“, erklärt man bei Reiulf Ramstad Arkitekter. „In der Tradition europäischer Metropolen waren Bahnhöfe oft Kathedralen der Moderne, die heute von großem kulturellem und historischem Wert sind. Ausdruck und Architektur des Bahnhofsgebäudes müssen daher ebenso zeitlos wie zukunftsweisend sein.“
Anleihen an der Vergangenheit
Beim Entwurf des neuen Bahnhofs habe man sich am historischen Gebäude des bisherigen Hauptbahnhofs sowie an der Entwicklung des Stadtlebens orientiert. So finden sich in der Gestaltung charakteristische Bogenelemente wieder, wie sie auch die alte Bahnhofshalle prägen.
Mit der Backsteinfassade knüpft man auch hinsichtlich der Materialität an den historischen Bestand an, während die Formensprache ganz klar in der Gegenwart verankert ist. Als man im Sommer letzten Jahres den offiziellen Baubeginn mit der Grundsteinlegung feierte, hat man einen Teil der Backsteine, die zur Gänze recycelt sind, zeremoniell vermauert.
CO2-arme Baustoffe
Auch alle anderen Baustoffe, die bei diesem Großprojekt zum Einsatz kommen, haben die Planer so ausgewählt, dass sich bei der Errichtung ein möglichst geringer CO2-Fußabdruck ergibt. So wie die Backsteine für die Fassade ist auch das Glas recycelt, während für Fundament und Stützen ein CO2-armer Beton eingesetzt werden soll.
Hier entsteht ein attraktiver Knotenpunkt, der mehr Menschen dazu bringen soll, in einem sicheren und nachhaltigen Stadtumfeld mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen.
Reiulf Ramstad Arkitekter
Die übrige Konstruktion besteht aus Holz, ein Baumaterial, das nicht nur wenig Emissionen in der Herstellung verursacht, sondern zusätzlich auch langfristig Kohlenstoff speichert. Bei der Zertifizierung nach BREEAM strebt man mit dem Bahnhofsneubau die Bewertung „Herausragend“ an, was die Ambitioniertheit des Projektes erahnen lässt.
Holz schafft Atmosphäre
Gothenburg Grand Central wird insgesamt eine Fläche von 15.000 Quadratmeter umfassen. Davon fallen rund 1.400 Quadratmeter auf Gewerbeflächen und 8.000 Quadratmeter auf Büroflächen, die für rund 700 Arbeitsplätze ausgerichtet sind.
Die öffentlichen Fahrgastbereiche weisen eine großzügige Deckenhöhe von acht Metern auf. In der Mitte der Haupthalle verdoppelt ein Atrium diesen Luftraum zusätzlich und versorgt das Gebäude mit natürlichem Tageslicht. Die monumentalen Proportionen und die historisierenden Rundbögen treffen auf ein Ambiente, das man durchaus als hygge bezeichnen kann.
Die vielen Holzoberflächen in der Halle schaffen eine warme, wohnliche Atmosphäre und stellen nach dem Prinzip der Biophilie einen Bezug zur Natur her. Auch die Kugelleuchten im Atrium versprühen heimeligen Wohncharakter und sorgen dafür, dass die Halle trotz ihrer Dimensionen eine Nahbarkeit behält.
Ein Park am Bahnhofsdach
Auf dem Dach des neuen Bahnhofsgebäudes soll neben einer Photovoltaikanlage auch eine Parklandschaft entstehen, mit der man die Artenvielfalt von Pflanzen, Insekten und Vögeln fördern will. Viel Grün wird es den Visualisierungen zufolge auch in der direkten Umgebung des Bahnhofs geben.
Das Bahnhofsgebäude bildet das Entree zum neuen Stadtteil Centralstaden Göteborg und ein wichtiger Ankerpunkt des Mobilitäskonzepts, so das Planungsbüro: „Hier entsteht ein attraktiver Knotenpunkt, der mehr Menschen dazu bringen soll, in einem sicheren und nachhaltigen Stadtumfeld mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu reisen.“
Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: Reiulf Ramstad Arkitekter