Henning Larsen „reanimiert“ Brüssel (Bild: Henning Larsen)
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Henning Larsen „reanimiert“ Brüssel

Wo lang Büros dominierten, soll künftig buntes Leben herrschen: Das dänische Büro Henning Larsen setzt einen facettenreichen Mixed-Use-Komplex in Brüssels Zentrum, der dem Place de Brouckére neue Attraktivität bescheren wird. 

Was das renommierte Architekturbüro Henning Larsen jüngst präsentierte, soll der Stadt Brüssel einen Wunsch erfüllen: Das Design eines Mixed-Use-Komplexes für den Place de Brouckére zielt darauf ab, den einst belebten Platz wieder attraktiv zu gestalten. Denn wo sich lange Zeit in erster Linie Büros befanden, sollen die Brüsseler bald wieder Wohnungen, Geschäfte und Grünflächen vorfinden. Auf 48.000 Quadratmetern entsteht ein neuer Hot-Spot. Einer, der das architektonische Erbe der schönen Belle-Epoque-Gebäude mit einem zeitgemäßen Ansatz vereint.

Zurück zu mehr Lebensqualität

Entwickelt wurde das „Brouck’R“ genannte Projekt in Zusammenarbeit mit dem Brüsseler Studio a2rc und den Entwicklern Immobel Group und BPI Real Estate. Und es ist eine weitere Perle in der Kette der Erneuerungen, mit der die Stadt Brüssel dem Wunsch ihrer Bewohner nach mehr Lebensqualität gerecht werden will. Eine Fußgängerzone, die Renovierung und Verkehrsberuhigung des Quartier des Quais/Kaaienwijk und die Neugestaltung des Place de la Monnaie/Muntplein zeugen bereits vom entsprechenden Bemühen. 

Vorne Geschichte, dahinter die Zukunft: Henning Larsens Konzept für Brüssels Place de Brouckére. (Bild: Henning Larsen)
Vorne Geschichte, dahinter die Zukunft: Henning Larsens Konzept für Brüssels Place de Brouckére.

Mit dem aktuellen Plan für den Place de Brouckére wird der nächste Schritt gesetzt. Das Ziel: Vollständige Transformation der Gebäude – zum Teil in Belle Époque Stil – in einen revitalisierten Stadtteil. Und zwar unter Berücksichtigung aller neuen Erkenntnisse in Sachen Nachhaltigkeit. Und mit Respekt vor Brüssels Geschichte und Identität.

Das gesamte Konzept hinter dem Programm für Brouck’R besteht darin, seine ursprüngliche Energie und jene Dinge zurückzubringen, die im Laufe der Jahre verloren gegangen sind

Jacob Kurek, Partner bei Henning Larsen Architects

Die Zeiten des Place de Brouckère als lebenspralle Fußgängerzone liegen weit zurück. Weil die Stadt ihren Schwerpunkt Mitte des 20. Jahrhunderts auf Automobil- und Großbauprojekte verlegte, zogen viele Brüsseler in die Randgebiete der belgischen Metropole. Die Zahl der als Wohnung genützten Einheiten im Stadtkern sank rapide.

Das Projekt der dänischen Architekten soll die Menschen nun wieder ins Zentrum locken. Und zwar, indem es modernen, lebenswerten Raum für Wohnen, Arbeit, Shopping und Erholung schafft.

Henning Larsen „reanimiert“ Brüssel: Skizze des neuen Komplexes, vom Place de Brouckère aus gesehen. (Grafik: Henning Larsen)
Skizze des neuen Komplexes, vom Place de Brouckère aus gesehen.

„Das gesamte Konzept hinter dem Programm für Brouck’R besteht darin, seine ursprüngliche Energie und jene Dinge zurückzubringen, die im Laufe der Jahre verloren gegangen sind“, erklärt Henning Larsen-Partner Jacob Kurek: „Wir sehen es nicht so sehr als Neuentwicklung, sondern als Wiederbelebung eines vergessenen Erbes“. 

Mehr Freiheit für Fußgänger

Städte müssten, so der leitende Architekt, Orte sein, an denen sich Menschen frei bewegen können und „persönliche Wege finden, um sich mit der Stadt um sie herum zu verbinden“.

Und Kurek fügt hinzu: „Brüssel ist zwar eine der ältesten Städte Europas. Aber es hat ein reiches städtisches Gefüge und eine blühende Kultur, die es jugendlich machen. Dies und die Bereitschaft der Stadt, sich selbst zu erneuern und neu zu erfinden, machen das Projekt so unglaublich aufregend“.

Henning Larsen „reanimiert“ Brüssel: Teil des neuen „Brouck'R“-Komplexes, von der Straße aus gesehen. (Bild: Henning Larsen)
Teil des neuen „Brouck’R“-Komplexes, von der Straße aus gesehen.

„Brouck’R“ forciert die lokalen Bemühungen, das bürgerliche Leben in den Brüsseler Stadtkern zurückzuholen. Die Zone soll vor allem Fußgängern wieder Annehmlichkeiten bieten und zum Flanieren einladen.

Gärten und begrünte Fassaden

Ein ganzer Block wird mit Wohnungen und Studentenunterkünften umhüllt. Der Entwurf umfasst 311 neue Wohnungen. Der Innenhof im Zentrum des Gebäudes wird als grüne Oase für die Bewohner konzipiert. Ebenfalls mit im Plan sind Gärten im Erdgeschoss und begrünte Mauern entlang der südlichen und westlichen Innenfassaden. Ein Viertel des gesamten Komplexes bleibt Geschäften vorbehalten, die im Erdgeschoss Shoppingvergnügen bieten sollen. 

Lebenswertes Wohnen im Zentrum: Henning Larsens Plan sieht grüne Oasen im Innenhof, Gärten und begrünte Fassaden vor. (Bild: Henning Larsen)
Lebenswertes Wohnen im Zentrum: Henning Larsens Plan sieht grüne Oasen im Innenhof, Gärten und begrünte Fassaden vor.

Jede der vier „Brouck’R“-Außenflächen hat eine andere städtische „Nachbarschaft“ vor sich. Die ikonische Reihe von Fassaden aus dem 19. Jahrhundert, die den Place de Brouckère säumen, bleibt erhalten. Sie bildet die zum Platz gerichtete Vorderfront. Dahinter wird der Komplex von Henning Larsen durch neue Gebäude ergänzt. Die drei anderen Außenfassaden wirken durchgehend. Sie sind jedoch in Module unterteilt, die sich alle 18 bis 20 Meter ändern. Mit diesem Ansatz wollen die Architekten das Design dem Schritttempo von Fußgängern annähern – statt jenem hektischen Straßenverkehrs. 

Henning Larsen „reanimiert“ Brüssel: Optisch sehr verschieden: Die vordere Front des Komplexes... (Bild: Henning Larsen)
Optisch sehr verschieden: Die vordere Front des Komplexes…

Henning Larsen „reanimiert“ Brüssel: eine der den Straßen zugewandten Fassaden. (Bild: Henning Larsen)
… und eine der den Straßen zugewandten Fassaden.

Unterschiedliche Ziegelbaustile lassen den Komplex weniger massiv wirken. Die oberen Stockwerke werden mit schmalem, hellem Material verkleidet. Dies hebt sie optisch vom unteren Teil ab. Dadurch trennt Henning Larsens Design die Wohnbereiche visuell von den anders genutzten Gebäudeteilen. Die mit Ziegel verkleideten unteren Geschosse fügen sich in die Architektur ihres Umfelds ein. Die oberen Etagen sind indes wolkenartig gestaltet und sollen so neue Perspektiven auf das urbane Leben eröffnen.

Henning Larsens Projekt schafft Wohnraum

Die Bauarbeiten sollen im Sommer 2021 beginnen. Als voraussichtliches Fertigstellungsdatum nennt man bei Henning Larsen das Jahr 2024. Der fertige „Brouck’R“-Komplex wird 182 Wohnungen, 129 Studentenunterkünfte, ein Hotel mit 145 Zimmern, 8.840 Quadratmeter Büroflächen und Einzelhandel auf 3.220 Quadratmetern bieten. 

Henning Larsen „reanimiert“ Brüssel: Unterschiedliche Module durchbrechen die Optik der durchgehenden Fassaden... (Bild: Henning Larsen)
Unterschiedliche Module durchbrechen die Optik der durchgehenden Fassaden…

Henning Larsen „reanimiert“ Brüssel: Abwechslung, die zu Schrittgeschwindigkeit statt Straßentempo verleiten soll (Bild: Henning Larsen)
… und sollen so zu Schrittgeschwindigkeit statt Straßentempo verleiten.

„Ähnlich wie Brüssel dazu neigt, sich selbst zu verändern, geht es bei unserer Vision darum, Zugänglichkeit und Durchlässigkeit zu schaffen. Die zur Straße gerichteten Gebäudefronten kombinieren neues Design mit bestehender Architektur. Zwischenräume eröffnen freien Blick in die grüne Oase im Zentrum“, schildert Architekt Jacob Kurek. Der neue Komplex werde den Bewohnern schönen Ausblick und Lebensqualität bieten. Er sei „die ruhige Kehrseite und der skandinavische Einfluss auf das geschäftige städtische Treiben am Place de Brouckère.“

Dänische Stadtentwicklungs-Expertise

Das Kopenhagener Büro Henning Larsen hat Erfahrung mit Stadtentwicklungsprojekten. So arbeiten die dänischen Experten derzeit etwa auch an der Mission Rock-Entwicklung in San Francisco, an Etobicoke Civic Center und Plaza in Toronto, sowie am Großprojekt NØRR Saint Denis in Paris. Dass die Architekten großen Wert auf nachhaltige Lösungen legen, zeigt etwa ihr Entwurf für das aus Holz designte Dorf „Fælledby“ unweit von Kopenhagens Zentrum. Und bei der Revitalisierung der Kaiserlichen Werft in Danzig bemüht sich das Henning Larsen Team – wie auch in Brüssel – gezielt um Verkehrsberuhigung und Fußgänger-Freundlichkeit.

Brouck’R und die wachsende Fußgängerzone sollen nun Brüssel um einen neuen, lebenswerten Anziehungspunkt bereichern – ganz im Sinne der Stadtväter des Hauptsitzes der Europäischen Union, die ihre Jahre lang vergraulten Bürger zurück ins Herz der Metropole holen wollen. 

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Henning Larsen

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