Living La Vida Lime
In Spanien kriselt es am Immobilienmarkt. Peris + Toral, ein Architekturstudio aus Barcelona, zeigt im mallorquinischen Son Servera einmal mehr, wie nachhaltiges und leistbares Wohnen heute aussehen kann.
Schaut man aktuell auf den europäischen Wohnungsmarkt, kann einem die Lage durchaus spanisch vorkommen. Und das im wahrsten Sinne. Tourismusplattformen wie Airbnb sowie Spekulation und zu wenig Wohnraum treiben die Mietpreise nach oben und Demonstrierende quer durch Europa auf die Straßen – insbesondere in Spanien hat sich die Situation zugespitzt. Touristenregionen wie Barcelona, Madrid oder Palma de Mallorca sind am stärksten betroffen.
Eine vielversprechende Maßnahme, um einer Wohnungskrise (von der in Spanien mittlerweile offen gesprochen wird) entgegenzuwirken, ist der soziale Wohnbau. Wie dieser funktioniert, belegt unter anderem der „kultige“ Wiener Gemeindebau, der sich trotz seines ab und an kontrovers diskutierten Rufs nach wie vor großer Beliebtheit erfreut. Er gilt seit den 1920er-Jahren als internationales Erfolgsmodell, denn er hat den Menschen genau das gebracht, was sie in Zeiten wirtschaftlicher Not am dringendsten gebraucht haben: erschwinglichen und hochwertigen Wohnraum.
Der soziale Grundgedanke hat bis heute nichts an seiner Aktualität eingebüßt. Genau den verfolgen auch Marta Peris und José Toral, zwei bekannte Gesichter der spanischen Architekturszene, mit dem Projekt Living in Lime im mallorquinischen Son Servera und liefern nebenbei den Beweis, dass gemeinnütziger Wohnbau auch optisch Einiges hermachen kann.
Sozial but make it chic
In ihrer Arbeit widmen sich Peris + Toral der Bekämpfung der Klimakrise und des landesweiten Wohnungsnotstands. Das Projekt Living in Lime verkörpert aber nicht nur das soziale und ökologische Engagement der Architekten. Aufgrund der Nähe zur historischen Altstadt von Son Servera wollte man einen Kontrast zwischen dem neuen Gebäude und der bestehenden Architektur aus der Umgebung möglichst vermeiden. Deshalb wurden die Materialauswahl sowie die Ästhetik des Projekts maßgeblich von der Atmosphäre des Städtchens beeinflusst.
Der Wohnblock besteht aus zwei schlichten, quaderförmigen Volumen, die einander leicht versetzt gegenüberstehen. Dadurch entstand an den jeweiligen Enden des Grundstücks eine kleine Freifläche, die als Innenhof beziehungsweise als Gemeinschaftsbereich genutzt wird. Während jener Innenhof, der näher an der Altstadt liegt, den Eingangsbereich markiert, bietet der zweite einen Aussichtspunkt mit Meerblick. Die bepflanzten Höfe und Gemeinschaftsbereiche haben mehrere Funktionen. Sie sollen einerseits die soziale Interaktion unter den Bewohnern fördern und verbessern gleichzeitig die thermodynamische Leistung des Gebäudes.
Leben im Kalk
Auch wenn es bei den mallorquinischen Temperaturen denkbar gewesen wäre: Mit Zitrusfrüchten aller Art hat Living in Lime wenig zu tun. Vielmehr deutet der Projektname auf eines der Hauptmaterialien hin: Kalk (englisch Lime). Dieser kam aufgrund der niedrigeren Dichte vor allem beim unteren Teil des Mauerwerks zum Einsatz, während man sich weiter oben für gelben Sandstein entschied. Um die Privatsphäre der Bewohner zu gewährleisten, setzt sich die äußere Fassade in einer Mauer rund um das Grundstück fort.
Passend dazu wurden die insgesamt 42 Wohneinheiten mit Gipsputz und Holz gestaltet. In jeder der Wohnungen findet sich außerdem ein überdachter Außenbereich, der von raumhohen Glastüren eingefasst wird, und an eine moderne Umsetzung eines Wintergartens erinnert. Insgesamt spiegelt das Projekt aufgrund der großzügigen Freiflächen den sozialen Grundgedanken wider, den Peris + Toral mit ihrer Arbeit verfolgen.
Preisverdächtig
Das Projekt wurde im Jahr 2023 fertiggestellt, nachdem die Bauarbeiten im Jahr 2020 begonnen hatten. Seither haben Peris + Toral damit schon mehrere nationale und internationale Preise wie den CSCAE Award 2024 von der Spanish Association of Architecture Institutes gewonnen. Im selben Jahr landeten sie außerdem auf der Shortlist für den Mies van der Rohe Preis der Europäischen Union.
„Inspiriert von traditioneller Architektur und unter Verwendung lokaler und umweltfreundlicher Materialien vereint der Sozialbau ökologische und soziale Ziele im Sinne der Nachhaltigkeit“, so die Erklärung der Jury. „Die Freiflächen, die Gärten und die belebten Straßen fördern das soziale Miteinander – und verbessern zudem die Thermodynamik des Gebäudes.“
Text: Rabea Scheger
Fotos: José Hevia, Alvaro Homar