Neuer Kanzlerplatz
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Neue Landmarke für Bonn

Lange wurde im Untergrund gearbeitet. Die Rede ist hier nicht etwa von geheimdienstlichen Aktivitäten, sondern von der Baustelle Neuer Kanzlerplatz Bonn. Die Hälfte der anspruchsvollen dreijährigen Bauleistung für das neue Büroquartier fand nämlich unter der Erdoberfläche statt. Nun stehen 115.000 Quadratmeter Nutzfläche im Herzen Bonns zur Verfügung.

Lange Zeit leuchtete ein Stern über Bonns Nachthimmel und Skyline: Der Mercedes-Stern auf dem früheren Bonn-Center. Fast 50 Jahre lang war er eines der Wahrzeichen der einstigen deutschen Hauptstadt. Doch mit der kontrollierten Sprengung des Gebäudekomplex aus den späten 1960-er Jahren verschwand das runde Markenzeichen mit einem Durchmesser von acht Metern. Während der Bonner Daimler-Stern endgültig der Vergangenheit angehört, wurde dem Grundstück neues Leben eingehaucht: Neuer Kanzlerplatz Bonn heißt das hier entstandene Quartier.

Bonn Center
Das frühere Bonn-Center mit seinem Wahrzeichen, dem weithin sichtbaren Mercedes-Stern mit einem Durchmesser von acht Metern.

Einige Jahre war nicht ganz klar, was mit dem Ensemble um das Hochhaus mit streng gerasterter Fassade und dem rotierenden Stern geschehen sollte. Dem längeren Leerstand des früher „Neues Europaquartier“ oder „Hochhaus am Kanzlerplatz“ genannten Objekts folgten Versuche der Revitalisierung, die allerdings scheiterten. Schließlich wurde das Areal vom in Köln ansässigen Architekturbüro JSWD Architekten von Grund auf neu gedacht.

Neuer Kanzlerplatz
Neuer Kanzlerplatz im Herzen der einstigen deutschen Hauptstadt Bonn.

Neuer Kanzlerplatz Bonn mit „logischer Mitte“

Die Planung des neuen Stadtteils und Büroquartiers sah die optimale Nutzung auf der dreieckigen Parzelle nördlich der Bonner Museumsmeile und in unmittelbarer Nähe des Bundesviertels mit dem UN-Campus vor. Gleichzeitig wurde ein sensibler, sozialverträglicher Übergang zur südlich angrenzenden Wohnbebauung gestaltet.

Der Neue Kanzlerplatz ist nun ein modernes Stadtquartier: Ein Ensemble mit drei pentagonalen Gebäuden und einem 101,50 Meter hohen Hochhaus. Auf dem 18.500 Quadratmeter großen Gelände stehen jetzt 115.000 Quadratmeter Nutzfläche mit 4.500 Büroarbeitsplätzen und 1.000 Tiefgaragenplätzen im Herzen Bonns zur Verfügung. Gastronomische Angebote sorgen für eine Belebung des Büroquartiers auch außerhalb der Arbeitszeiten.

Neuer Kanzlerplatz
Die Fassade aus weiß eingefärbtem, gesäuertem und …

Neuer Kanzlerplatz
… hydrophobiert Architekturbeton erinnert an Origami.

An jeder der drei Ecken des Grundstücks platzierten die JSWD-Experten ein fünfeckiges Gebäude mit je einem Innenhof. So bildet sich eine „logische gemeinsame Mitte“, ein zentraler, öffentlicher Freiraum der einander zugewandten Baukörper aus. Dieser öffnet sich zum Bundeskanzlerplatz und präsentiert in seiner Mitte eine begehbare Spiegel-Skulptur des dänischen Künstlers Jeppe Hein, den „Mirror Pavilion“.

Großzügige Durchwegungen

Blockierte das 60 Meter hohe Bonn-Center mit seinen 18 Geschoßen noch die Wege und Sichtachsen, so schaffen die aktuellen großzügigen Durchwegungen vor allem eines: Platz. Die angrenzenden Hauptverkehrsachsen sind angebunden und die kleinteilige Wohnbebauung auf der anderen Seite wird nicht beeinträchtigt.

Weithin sichtbar sticht der im Grundriss trapezförmige Büroturm mit 28 Etagen wie eine Landmarke heraus. Er ist in eines der drei pentagonalen Sockelgebäude mit jeweils drei bis sieben Stockwerken integriert. Rund 80.000 Kubikmeter Beton und 14.000 Tonnen Stahl wurden für das Hochhaus in Form gebracht.

Design, das an Origami erinnert

Die Fassade aus weiß eingefärbtem, gesäuertem und zweifach hydrophobiert Architekturbeton verbindet alle drei Gebäude zu einer farblichen Einheit. Unter Hydrophobierung versteht man die Behandlung der Oberflächen mit vorwiegend siliziumorganischen Verbindungen.

Damit werden die oberflächennahen, kapillarsaugenden Poren eine Zeit lang gegen das Eindringen von Feuchtigkeit imprägniert. Das Mittel reagiert mit dem von den Poren zuvor absorbierten Wasser. In der Folge bildet sich eine mit dem Zementstein verbundene Silikonharzschicht. Die Diffusion von Wasserdampf aus dem Wandquerschnitt bleibt allerdings bestehen.

Neuer Kanzlerplatz
Optisches Verwirrspiel: Der Mirror Pavilion am Neuen Kanzlerplatz des dänischen Künstlers Jeppe Hein.

Abgesehen von der tragenden Sichtbeton-Fertigteilfassade wurden die meisten Wände, Stützen und Decken in Ortbetonbauweise hergestellt. „Die Geometrien der Fassadenstruktur erzeugen ein ständig wechselndes Erscheinungsbild, wenn der Betrachter seinen Standort und damit den Blickwinkel ändert“, heißt es bei JSWD.

Bei den beiden niedrigeren Häusern wurde das Fassadenraster tragend ausgeführt und damit die Bauteiltiefe konstruktiv ausgenutzt. Durch diese Bauweise bleiben die Bürogeschoße frei von Stützen oder Stützenvorsprüngen im Inneren.

Beim Hochhaus wurden die Fassadenfelder über zwei Geschoße, im Sockelbereich sogar über drei Geschoße gespannt. So wird die Vertikalität des Gebäudes noch zusätzlich betont. Darüber hinaus wurde in der Fassadenebene ein konventionelles, tragendes Stahlbetonskelett vorgesehen, das mit Vorsatzschalen aus glasfaserverstärktem Beton verkleidet wurde.

Neuer Kanzlerplatz
Das Hochhaus des Neuen Kanzlerplatz Bonn ist das neue Wahrzeichen der Skyline.

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Neuer Kanzlerplatz in Bonn: Zertifiziertes Büroensemble mit Hochhaus.

Die gestalterische Fassadenidee wird in den Foyers fortgesetzt. So bilden Glasfaserbetonelemente dreieckige Bekleidungen an Decke und Rückwand. Im dreigeschossigen Foyer des Hochhauses sind sie bis zu elf Meter lang. Die dreieckigen Paneele wirken mit ihrer gefalteten Anordnung wie riesige Origami, jene Werke, die in der Tradition der japanischen Faltkunst entstehen, meist mit buntem Papier.

Neuer Kanzlerplatz
Das Fassadendesign wird im Inneren fortgesetzt.

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Mit der gefalteten Struktur erinnern die Wand- und Deckenelemente an Origami, die japanische Faltkunst.

Hohe Anforderungen

„Die zentrale Lage und der hohe Schwierigkeitsgrad stellten hohe Anforderungen an die Baustellenlogistik und die Schalungs- und Gerüsttechnik“, betont man beim Schalungs- und Gerüstexperten Peri GmbH & Co. KG.

Das Hochhaus des Neuen Kanzlerplatz kragt mit über einem Drittel seiner Grundfläche nach Osten aus und scheint nahezu frei zu schweben – getragen nur durch vier sogenannte Megastützen, schlanke Pendelstützen.

Neuer Kanzlerplatz
Der Neue Kanzlerplatz mit drei pentagonalen Gebäuden und dem 101,50 m hohen Hochhausturm bietet 115.000 m² Nutzfläche im Herzen Bonns.

Neuer Kanzlerplatz
Eine hochwertige und markante Architektur mit zugleich städtebaulicher und funktionaler Qualität stand im Fokus der Projektentwicklung durch JSWD.

„Wenn auch im fertigen Zustand kaum noch von außen wahrnehmbar, fand die Hälfte der dreijährigen Bauleistung unter der Erdoberfläche statt. Denn nahezu über die komplette Grundstücksfläche hinweg erstrecken sich unterhalb der Gebäude drei Untergeschoße“, präzisieren die Experten von Peri. Unterhalb der auskragenden Hochhausgeschoße mussten bis zum Erreichen der Eigentragfähigkeit enorm hohe Lasten aus unterschiedlichen Bauzuständen abgefangen werden.

Auch die beiden obersten Ebenen des Hochhauskopfes mit ihren Technik- und Konferenzräumen seien herausfordernd gewesen, weil sie mit ihren bis zu sieben Meter hohen Wänden merklich von den Regelgeschossen abgewichen hätten.

LEED-Gold-Vorzertifizierung

Das neue Ensemble Neuer Kanzlerplatz hat ein LEED Vorzertifikat in Gold verliehen bekommen. Und es ist Gewinner des German Design Award 2024.

Neuer Kanzlerplatz
Begrünte Dachflächen sorgen für Biodiversität. Die Beheizung erfolgt mittels Fernwärme und Betonkerntemperierung.

Neuer Kanzlerplatz
Sonnenschutz und Beleuchtungen werden automatisiert gesteuert. Die Lüftungsanlagen funktionieren mit Wärmerückgewinnung.

Die extensiv begrünten Dachflächen fördern auch im innerstädtischen Kontext die Biodiversität. Gleichzeitig kühlt das Gründach die Umgebung. Die Regenrückhaltung verhindert die Überlastung der Kanalisation bei Starkregen. Die Beheizung erfolgt mittels Fernwärme und Betonkerntemperierung. Sonnenschutz und Beleuchtungen werden automatisiert gesteuert.

Weitere Elemente der Nachhaltigkeit sind die Wasserspar-Armaturen oder die Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Da die Baustoffe größtenteils aus erneuerbaren und regionalen Rohstoffen stammten, konnten die Lieferwege kurz gehalten werden, was Kohlenstoff einsparen half.

Text: Linda Benkö
Fotos: HG Esch, Jeppe Hein, Christa Lachenmaier, JSWD

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