„Oasis Towers“: Grüne Oase für Nanjing (Bild: Atchain)
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Grüne Oase für Nanjing

An Wolkenkratzern fehlt es der chinesischen Metropole nicht. Erholungszonen im Freien jedoch sind Mangelware. Mit den „Oasis Towers“ wird nun eine grüne Oase für Nanjing geschaffen. Ein Stückchen Natur – wie ein kleines Zaubertal zwischen zwei spektakulär geformten Türmen.

Ende des 14. Jahrhunderts war sie Hauptstadt der Ming Dynastie. Von 1927 bis 1949 jene der Republik China. Heute ist Nanjing ein politisch kulturelles Zentrum der Volksrepublik China – mit großer Geschichte und rasantem Wachstum. 6.500 000 Einwohner zählte man bereits 2018. Ballungsraum mitgerechnet, waren es zwei Jahre später über neun Millionen. Eine Zahl, die stetig steigt. Grund genug für die Regierung, 2015 die Jiangbei New Area zu gründen und Nanjing über den Jangtse-Fluss nach Westen zu erweitern. An modernen Wolkenkratzern mangelt es dort nicht. Dafür aber an Freiraum und Natur. Jetzt ist eine grüne Oase für Nanjing in Planung: Die „Oasis Towers“.

Zuflucht im Hochhäuser-Meer

Das niederländische Büro MVRDV wurde jüngst zum Sieger des Wettbewerbs für einen Mixed-Use-Komplex am Rande des Finanzbezirks der Jiangbei New Area ernannt. Und was die Architekten für den extrem dichten Stadtteil entworfen haben, verspricht den Bewohnern eine zwar verhältnismäßig kleine, jedoch erholsame Zuflucht.

„Oasis Towers“: Grüne Oase für Nanjing. (Bild: Atchain)

Das 166.000 Quadratmeter umfassende Projekt erstreckt sich über zwei benachbarte Grundstücke am Rand des Jiangbei Financial District Masterplans. Wolkenkratzer beinhaltet es auch. Allerdings wird zwischen den Hochhäusern eine von ursprünglicher Natur inspirierte Grünzone entstehen, die Raum für Bewegung und Genuss im Freien schafft. 

Turmhoher „Schutzwall“

Zwei L-förmige Türme mit jeweils 40 Stockwerken stehen sich an der Nord- und Süd-Ecke des Projekts gegenüber. Die Anlage bekommt mehrere Zugänge. Sie wird von einer Straße und vielen Gehwegen durchzogen. Der Sockel indes umschließt mit seinen drei bis vier Stockwerken fast das gesamte Gelände und wird so quasi zum „Schutzwall“ des Zentrums der „Oasis Towers“: Dem grünen Herzen, das den spektakulären Neubau im ringsum engen Häusermeer so besonders macht.

Die beiden „Oasis Towers“ wirken wie ein Bollwerk, das die grüne Oase für Nanjing abschirmt. (Bild: MVRDV)
Die beiden „Oasis Towers“ wirken wie ein Bollwerk, das die Oase abschirmt.

Lageplan: Der „Oasis Towers“ Neubau am Jangtse-Fluss entsteht inmitten moderner Wolkenkratzer. (Bild: MVRDV)
Lageplan: Der Neubau am Jangtse-Fluss entsteht inmitten moderner Wolkenkratzer.

Das Randgebäude überbrückt die Fußgängerwege und sogar die Straße zwischen den beiden Grundstücken. Dadurch schafft es eine klare Trennung zwischen dem umliegenden Viertel und dem naturnah konzipierten Mittelpunkt des Entwurfs.

Erholen & shoppen im Freien

Die neue, grüne Oase für Nanjing wird üppig mit Bäumen und anderer Vegetation bepflanzt. Sie bildet eine lebendige, vielfältige Landschaft auf den kaskadenförmigen Terrassen des Gebäudes, die zum Verweilen lädt. Selbstredend auch für die Kundschaft der Geschäfte, die vom Erdgeschoss bis zur dritten Etage der „Oasis Towers“ Einzug halten werden.

Ders von MVRDV designte Komplex „Oasis Towers“ verschafft Nanjing eine grüne Oase für Outdoor-Freizeit, Shopping und Genuss. (Bild: Atchain)

Angenehmes Shopping-Umfeld zu bieten ist freilich nicht der wichtigste Punkt in MVRDVs Konzept. Denn der parkähnliche Raum erfüllt mehrere, essenzielle Funktionen zugleich. Er sorgt für Abkühlung und Artenvielfalt. Der grüne Baldachin garantiert Privatsphäre, indem er die Bewohner der oberen „Oasis Towers“-Stockwerke vom geschäftigen Treiben darunter abschirmt. Außerdem ergibt er ein begehbares Konstrukt, das die beiden Grundstücke über die zentrale Straße hinweg miteinander verbindet.

Klug vernetzt

In der Mitte des öffentlichen Raums senkt sich die Landschaft unters Bodenniveau. Dies ermöglicht eine Unterquerung der Straße und schafft eine bequeme Kreuzung mit Zugang zur U-Bahn-Station unter dem Gelände. 

Der mehrstöckige Sockel der „Oasis Towers“ umfasst mit seinen Geschäften und Lokalen fast die gesamte Anlage und überbrückt Wege und Straßen. (Bild: Atchain)
Der mehrstöckige Sockel der „Oasis Towers“ umfasst mit seinen Geschäften und Lokalen fast die gesamte Anlage und überbrückt Wege und Straßen.

„Die zeitgenössische Architektur von Nanjing lässt sich in Form und Aussehen von der Natur inspirieren“, analysiert MVRDV-Gründungspartner Winy Maas. Und der renommierte Architekt führt aus: „Mit den Oasis Towers wollten wir diesen Trend auf die Spitze treiben. Wir wollten nicht nur die geschwungenen, geschichteten ,Klippen‘ der Natur nachahmen, sondern sie auch buchstäblich in den Entwurf einbeziehen. Mit der Begrünung – und durch Anwendung natürlicher Prozesse“.

Extravagant geformte „Oasis Towers“

Um die grüne Oase für Nanjing ins Umfeld einzupassen, haben die Planer auch die Bürotürme berücksichtigt, die ringsum noch entstehen werden: An den Außenseiten des Blockrandes zeigt MVRDVs Entwurf eine formale, gerasterte Fassade. Anderswo weicht diese Außenhaut den fließenden Kurven von Balkonen, Terrassen, Dächern und kleinen Pavillons, die mit recyceltem Bambus verkleidet sind.

„Oasis Towers“: Grüne Oase für Nanjing. (Bild: Atchain)

Die idyllisch anmutende Grünzone im Herzen der „Oasis Towers“ ist selbstverständlich längst nicht alles, was Architekt Winy Maas mit der gewünschten Integration der Natur meint. Denn diese spielt eine wichtige Rolle bei den Nachhaltigkeitsstrategien, die das Konzept beinhaltet.

Mensch & Umwelt, mitgedacht

So werden etwa auch die nicht zugänglichen Dachflächen dicht mit vielfältiger Vegetation bepflanzt, die der Artenvielfalt Vorschub leistet. Auch zwei 500 Quadratmeter große Schilfbeete sind dort vorgesehen. Als Teil des Grauwasser-Recyclingsystems werden sie Wasser auf natürliche Art filtern und reinigen.

Das Büro MVRDV hat die grüne Oase für Nanjing möglichst nachhaltig gestaltet. Zum Beispiel durch Wasser-Recycling. (Bild: MVRDV)

Auch die Positionierung der Türme kommt nicht von ungefähr: Sie nützt die vorherrschenden Westwinde, um die natürliche Belüftung zu maximieren. Die tiefen Balkone sind versetzt angeordnet, um viel natürliches Licht in die Räume zu lassen, im Sommer jedoch zu starke Sonneneinstrahlung zu vermeiden.

Nachhaltige, grüne Oase für Nanjing

Ein wichtiger Aspekt, der auch die sorgfältige Platzierung der Schatten spendenden Bäume bestimmt. Um den Energieverbrauch der „Oasis Towers“ zu senken, wird eine Wasserwärmepumpe installiert, die den angrenzenden Fluss nützt.

„Oasis Towers“: Grüne Oase für Nanjing. (Bild: Atchain)

Aufs Erste wirken die Türme, die die grüne Oase rahmen, originell und vielfältig. Immerhin sieht jedes Stockwerk anders aus als sein nächster „Nachbar“. Ein spielerischer Kunstgriff des Designs. Denn bei genauerer Betrachtung ist die Konstruktion sogar sehr regelmäßig und effizient: Die Grundrisse großer Teile der beiden Hochhäuser sind nahezu identisch. Was variiert, sind nur die Formen der geschwungenen Balkone. Und Pflanzwannen, die diese voneinander trennen, sorgen dafür, dass sich die grüne Oase für Nanjing bis in die Spitze des Komplexes ausbreiten kann.

Originelles Design bevorzugt

Die „Oasis Towers“, die MVRDV für die Nanjing Jiangbei New District Financial Center Development Co. entworfen hat, sind nicht das einzige Projekt, mit dem die erfolgreichen Niederländer derzeit von sich reden machen. So wird etwa in Mannheim am außergewöhnlich gestalteten „Hochhaus mit dem O“ gewerkt. Und in Albaniens Hauptstadt geht es mit MVRDVs Plänen für den Neubau „Tirana’s Rock“ voran, der den Kopf des Nationalhelden Skanderbeg darstellen wird.

Außergewöhnlicher Look: Die MVRDV Architekten haben jeden Balkon des neuen „Oasis Towers“ Komplexes in Nanjing unterschiedlich gestaltet. (Bild: Atchain)
Außergewöhnlicher Look: Die MVRDV Architekten haben jeden Balkon des neuen Komplexes anders gestaltet als seinen „Nachbarn“.

Wann die grüne Oase für Nanjing fertig erblühen können wird, ist vorerst noch offen. Denn derzeit arbeiten die Architekten und ihr Kunde gemeinsam an der Weiterentwicklung des Entwurfs. Wer sich im Wolkenkratzermeer des neuen Teils der schnell wachsenden Millionenstadt schon sehr nach diesem Stückchen Natur sehnt, wird also noch ein Weilchen warten müssen.

Mehr Grün für Chinas Mega-Cities

Allerdings: Im Nanjing Pukou District, nordwestlich des Jangtse-Flusses und ebenfalls im neuen Entwicklungsgebiet, soll bald auch etwas mehr Grün gedeihen. Und zwar in Form des „Nanjing Vertical Forest“. Diesen Komplex hat Architekt Stefano Boeri entworfen, der durch sein rundum üppig begrüntes Hochhaus „Bosco Verticale“ in Mailand weltweit Berühmtheit erlangte. 

Wie ein kleines Zaubertal: Mit dem Projekt „Oasis Towers“ setzt das Büro MVRDV ein Stückchen Natur in die chinesische Großstadt Nanjing. (Bild: Atchain)
Wie ein kleines Zaubertal: Mit dem Projekt „Oasis Towers“ setzt das Büro MVRDV ein Stückchen Natur in die chinesische Großstadt Nanjing.

Das Interesse an begrünten Fassaden, Grünflächen und urbanen Wäldern nimmt mittlerweile auch in der Volksrepublik deutlich zu. Nicht zuletzt, weil die Pflanzen Feinstaub absorbieren und so der oft starken Luftverschmutzung in den Großstädten entgegenwirken. Wobei es wohl noch vieler weiterer Projekte wie dem „Vertical Forest“ und MVRDVs „Oasis Towers“ bedürfen wird, um Bewohnern dicht verbauter Metropolen wie Nanjing merkbar bessere Luft und Lebensqualität zu verschaffen. 

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: MVRDV, Atchain 

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