Öko in den Anden
Drei Jahre Forschung wurden in das nun realisierte Páramo-Haus investiert, damit es im fragilen Moorland der kolumbianischen Anden errichtet werden kann.
Es klingt schön, rund und ein bisschen nach spanischer Köstlichkeit. Das Wort Páramo. Doch tatsächlich bedeutet es übersetzt „schlechtes, baumfreies Land“. Es beschreibt im Sprachgebrauch allerdings eine Vegetationsform der „alpinen Hochlandsteppen im feuchttropisch-äquatorialen Gebirge“. Ganz konkret sind damit Gebiete der südamerikanischen Anden gemeint, die zwischen 3.500 und 4.500 Meter Seehöhe liegen. Es sind Nebelwälder, in denen Lamas und Alpakas weiden. Und deren Flora und Fauna aufgrund des Zusammenspiels aus großer Höhe, Kälte und Feuchtigkeit grundsätzlich als fragil gilt.
Eben in einem dieser Nebelwälder Kolumbiens haben nun die Architekten von ZITA ihr „Haus in den Wolken“ errichtet. Und das auf eine Art und Weise, die beispielgebend sein soll, wie man in besonders sensiblen Ökosystemen baut, ohne die Natur zu zerstören.
Mit gutem Beispiel voran
Klingt auf den ersten Blick nach einem nahezu unmöglichen Unterfangen. Genau dieser Umstand aber hat die Architekten überhaupt erst auf die Idee gebracht, das Projekt Páramo-Haus in Angriff zu nehmen. „Es sollte ein Beispiel werden, wie man mit dem sensiblen Anden-Moorland aus zivilisatorischer Sicht umgeht,“ berichten sie. „Uns ging es darum, mit großem Respekt für den ökologischen Wert des Landes umzugehen.“
Auf fundiertem Wissen gebaut
Wie aber gewährleistet man dies? Wie zeigt man nach außen, dass man wirklich so sorgsam vorgegangen ist, wie behauptet? Das Studio ZITA wählte den vermutlich einzig gangbaren Weg. Es setzte sich mit Wissenschaftlern in Verbindung. Und etablierte mit Autorin Cristina Albornoz eine renommierte Kuratorin, die unterschiedliche Studien fachgerecht begleitete. Albornoz gilt in der internationalen Architektur-Bubble als ausgesprochen angesehen. Sie hat nicht nur viele einschlägige Bücher verfasst, sondern sogar mit Ai Weiwei zusammengearbeitet.
Es sollte ein Beispiel werden, wie man mit dem sensiblen Anden-Moorland aus zivilisatorischer Sicht umgeht.
ZITA-Architekten
Ein Haus in den Wolken
Jedenfalls waren es schlussendlich drei Jahre, in denen nichts anderes getan wurde, als den möglichen Baugrund auf 3.250 Metern Seehöhe genauestens zu studieren. Und aus den Ergebnissen Lösungen zu erarbeiten, wie man hier möglichst naturnah bauen könne.
Erste große Erkenntnis daraus: Ob seiner einzigartigen Vegetation ist das Gebiet in der Lage, Wasser aus der Atmosphäre zu absorbieren. Daraus leitete man ab, dass ein Objekt selbst Trinkwasser generieren kann, man aber gleichzeitig den Untergrund freihalten müsse. Damit Wasser jederzeit abfließen oder versickern kann.
Bloß nichts versiegeln!
Somit war schnell klar, dass das Páramo-Haus keinesfalls Boden versiegeln darf. Ebenso, dass der unterirdische Wasserfluss nicht unterbrochen wird. Daher steht es heute auf einer Reihe von Betonsäulen, die ohne Bodenbalken gestützt werden.
In Folge suchte man Wege, um beim Bau selbst keine zu großen Spuren in der Natur zu hinterlassen. Ein klarer Fall für Fertigteilbauweise. Und so ruht auf den Pfeilern nun eine Reihe vorgefertigter Holzarkaden. Dieser sind durch ein System von ebenfalls vorab hergestellten OSB-Wänden und -Dächern miteinander verbunden. „Dadurch wurden sowohl die Bauzeit als auch der Abfall reduziert“, so die Architekten. Außerdem waren wesentlich weniger schwere Fahrzeuge notwendig, um alle Materialien nach oben zu befördern.
Die unterschiedlich hohen Fassaden ermöglichen abwechslungsreiche Ansichten und größere Transparenz.
Aus architektonischer Sicht hat ZITA sein Páramo-Haus in zwei Module unterteilt, die durch einen abgehängten, so genannten Sonnenraum miteinander verbunden sind. Das Hauptmodul beinhaltet das Hauptschlafzimmer und das Bad sowie alle Gemeinschaftsbereiche.
Bruch des Maßstabs
Das zweite Modul besteht aus zwei Zimmern und zwei Bädern. „Durch diese Fragmentierung wird die Dimension des Objekts in der Wahrnehmung kleiner. Der Maßstab wird auf diese Weise gebrochen“, so die Architekten. Zudem würden die unterschiedlich hohen Fassaden „abwechslungsreiche Ansichten und größere Transparenz ermöglichen“, heißt es weiter.
Einmal nach draußen, bitte!
Spannendes Zusatzfeature: Die Wände der Moorlandschaft zugewandten Räume können durch eine verschiebbare Stahlkonstruktion fast zur Gänze geöffnet werden. Das geschieht durch einen handbetriebenen Kettenzug, der die schweren Fronten verrückt. So wird das Wohnzimmer in eine luftige Terrasse verwandelt. Die kann man freilich nur genießen, wenn gerade einmal keine Nebelschwaden das Haus verhüllen. Aber jedenfalls fühlt man sich hier immer mitten in der Natur.
Bleibt nur zu hoffen, dass die zukünftigen Bewohner des Páramo-Haus ebenso achtsam mit der fragilen Umwelt umgehen, wie die Erbauer dieser imposanten Hütte.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: ZITA