Drei findige Architekten aus Ecuador haben ein Hauskonzept entwickelt, das jungen und noch finanzschwachen Menschen einen Platz an der Sonne ermöglicht – indem es von den Ressourcen eines anderen Hauses lebt.

Wer sagt, dass nur reiche Menschen in Penthäusern leben sollen? Ein junges Architekten-Trio aus Quito, der Hauptstadt Ecuadors, hat mit seinem Parasitenhaus jedenfalls ein Wohnkonzept entwickelt, das es selbst „armen Schluckern“ ermöglichen soll, luxuriöse Lebenswelten zu bewohnen – wenn auch auf wenig luxuriösem Raum.

Kollektiv statt Firma

Aber alles der Reihe nach. Vor fünf Jahren gründeten Xavier Duque, Maria Reinoso und Nicolás Viteri ein „kollaboratives Arbeitsteam“, wie sie es nennen. „Wir wollten nicht für andere Menschen arbeiten, wir wollten ein Kollektiv bilden, das Dinge tut, die es tun will“, sagen sie. Deshalb: Nix Firma, sondern eben Arbeitsteam. Stimmiger Name: „El Sindicato Arquitectura“.

Parasitenhaus bei Tag

Und aus diesem durchaus ein wenig kommunistisch angehauchten Spirit entstand nun ein Konzept, das tatsächlich das Zeug hat, jungen Menschen gerade in Südamerika neue Perspektiven zu eröffnen: Das Parasitenhaus! Eine 12-Quadratmeter kleine Hütte, die sich in ihrer Konstruktion und Raumaufteilung an den gerade weltweit populären Tiny Houses orientiert. Der Clou allerdings steckt im Detail: Das Häuschen soll nicht etwa auf einem Grundstück errichtet werden, sondern die Dächer von Hochhäusern zieren! Es ist also buchstäblich als Mini-Penthouse gedacht. Und zwar als eines, das das Hochhaus, auf dem es steht, förmlich als „Wirt“ betrachtet und von dessen Ressourcen lebt.

Parasitenhaus für Mutige

Die drei Erfinder: „Obwohl es möglich ist, das Projekt in städtischen oder ländlichen Parzellen ohne bestehende Bauten zu bauen, sollte es idealerweise auf ungenutzten Dächern mit strukturell soliden städtischen Bauten errichtet werden. Gebäude, in denen man sich an das bestehende Wasser-, Abfall- und Stromnetz anschließen kann.“ Ob man das nun legal oder illegal macht, bleibe den jeweiligen Errichtern selbst überlassen.

Parasitenhaus von innen
Schlichte aber sinnvolle Aufteilungen ermöglichen zumindest zwei Personen …

Parasitenhaus von innen
… ein gemütliches Miteinander mit einer großartigen Aussicht.

Das junge Gespann möchte jedenfalls nicht zu illegalen Handlungen aufrufen, vielmehr will man mit dem Konzept dabei helfen, in Städten, in denen Lebensraum Mangelware ist, solchen zu schaffen. „Auf diese Weise können wir zur Verdichtung der Stadt in sehr kleinem Maßstab mit einem Minimum an wirtschaftlichen Investitionen und Ressourceneinsatz sowie zur Erhaltung des architektonischen Erbes beitragen“, so die findigen Architekten.

Ein Prototyp sorgt für Begeisterung

Jedenfalls aber ist nicht nur die Grundidee dieses Parasitenhauses, sondern auch dessen Realisierung wohl durchdacht – und auf eine kleine Geldbörse ausgelegt: Das Projekt setzt sich aus drei Modulen zusammen, die aus vier strukturellen Rahmen bestehen und die man je nach Gebrauch modular anordnen kann.

Parasitenhaus von innen

Parasitenhaus von innen

„Wir haben einen rechteckigen Kern entwickelt, in dem alle Stehaktivitäten durchgeführt werden und in dem man Zugang zu allen Nutzflächen hat“, schreiben die Architekten in ihrem Entwurf. Die an den rechteckigen Kern angrenzenden Nutzflächen befinden sich in Dreiecken und Rhomben, die manipulierbar sind. Deren Geometrien würden Stabilität für die gesamte Struktur bieten.

Dass die Sache funktioniert, haben Xavier, Maria und Nicolás jedenfalls schon unter Beweis gestellt – und im Herzen Quitos das erste Parasitenhaus auf einem Hausdach errichtet. Ein Studentenpärchen ist eingezogen und von der Gesamtsituation begeistert.

Vor allem der Weitblick sei bestechend: Er öffnet sich über die Stadt hinweg, auf die Vulkane Cotacachi, Imbabura, Mojanda und Cayambe. Und, er lässt wohl in jedem das Gefühl aufkommen, in einem ganz besonderen Penthouse zu leben. Auf jeden Fall aber in einem, das dem erklärten Motto seiner Erfinder entspricht: „Arm ist nicht, wer wenig besitzt, sondern wer viel braucht.“

Text: Johannes Stühlinger
Fotos: Andrés Villota

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