Während für viele das Metaverse noch ein spanisches Dorf ist, begreifen Architekten die neuen digitalen Welten als Eldorado. Denn eines ist klar: Der virtuelle Raum will gestaltet werden! Also entstehen Objekte wie die Metamansion.

Während Mark Zuckerberg mit seiner Erzählung eines neuen Raums namens Metaverse weltweit für Gesprächsstoff sorgt, sollte man eines festhalten: Ganz so neu wie der selbsternannte Digitalmessias tut, ist die Sache nicht.

Eigentlich ein alter Hut

Schon im Jahr 2007 wurde beim internationalen Medienkunst-Festival Ars Electronica in Linz ein Preis für virtuelle Architektur verliehen. Damals hieß die virtuelle Welt „Second Life“. Und wenn man sich das heute gehypte Metaverse ansieht, so kommt man zu dem Schluss, dass sich beide Ideen am Ende bloß im Namen unterscheiden.

Wir sind auf dem Weg ins Metaverse

Egal wer nun wo abgekupfert hat, es deutet vieles darauf hin, dass wir als Menschheit tatsächlich in digitale Welten aufbrechen werden. Das macht etwa das gerade vorgestellte Projekt Metamansion Magnavi des Digital-Architekten Veliz Arquitecto deutlich. Ein surrealer schwimmender Lebensraum in einem fiktiven Gewässer. Eine fast märchenhafte Wohneinheit, die durchaus lockt, sie zu betreten.

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Die Metamansion Mangavi des Architekten Veliz Arquitecto macht durchaus Lust auf mehr Metaverse.

Doch egal wie die Welten nun heißen werden, in denen Metamansion Magnavi und ähnliche „Objekte“ errichtet werden sollen: Um aber zu verstehen, wohin diese Reise womöglich geht, muss man erst einmal die Basisidee dieser digitalen Räume erläutern.

Ist Metaverse nicht einfach der Cyberspace?

Kurz dazu: „Was heute zum Thema Metaversum gesagt wird, ähnelt sehr den Diskussionen über ,das Internet’ in den 1970er Jahren”, sagt WIRED-Autor Eric Ravenscraft. „Um zu verstehen, wie vage und komplex der Begriff ,Metaversum’ sein kann, hier eine kleine Übung”, schreibt er. „Ersetzen Sie in einem Satz gedanklich das Wort ,Metaversum’ durch ,Cyberspace’. In neunzig Prozent der Fälle bleibt die Bedeutung gleich.”

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Auch im Inneren sieht die Metamansion …

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… durchaus verlockend aus.

Vereinfacht ausgedrückt ist das Metaversum eine virtuelle Welt, in der Menschen in von der realen Welt inspirierten Räumen arbeiten, Kontakte knüpfen und spielen können. Die meiste Zeit seines Bestehens vermittelte das Internet zweidimensionale Erfahrungen und nur relativ selten Erlebnisse mit räumlicher Wahrnehmung. Doch mit dem Aufkommen der virtuellen Welt könnte sich das unwiderruflich ändern.

Die Technologie ist längst da

Und auch wenn es vielleicht gerade schwer vorstellbar ist: Die Technologien für eine Reise in eine fiktive Digitalwelt sind längst allesamt vorhanden! VR, AR, soziale Medien, Online-Spiele und 3D-Welten müssen im Grunde nur noch miteinander verbunden werden. Und genau das passiert gerade in Echtzeit.

Der Architekt des Metaversums muss über Kenntnisse in traditioneller Architektur, aber auch in konzeptioneller Kunst verfügen.

George Bileca, CEO von Voxelarchitects

Das Metaverse als dreidimensionale Fortentwicklung des Internets, befindet sich gerade in diesem Moment bereits im Aufbau. Einige Institutionen haben schon erste Grundsteine gelegt. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ etwa hat im Computerspiel „Minecraft“ aus 12,5 Millionen Blöcken eine Bibliothek errichtet. „The Uncensored Library“, heißt sie, ist ein monumentaler Kuppelbau der in seinen sakralen Hallen Artikel aus Ländern, in denen die Presse zensiert wird, beinhaltet.

Mehr Sinn, als man glauben möchte

Ein Beispiel, das uns vor Augen führt, dass digitale Welten langfristig wohl nur peripher rein spielerische Facetten haben. Schon heute gibt es reale Anwendungsfälle wie den eben genannten. Oder auch diesen: Als während des Lockdowns im März 2020 die Hochschulen geschlossen waren, bauten Studenten der University of Pennsylvania kurzerhand ihren Campus in „Minecraft“ nach. Wohnheim, Food-Trucks, Hörsäle – Block für Block und Pixel für Pixel wurde das Hochschulgelände digital rekonstruiert. Sogar eine detailgetreue Replika der Fisher Fine Arts Library hat man in die virtuelle Welt verpflanzt.

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Das Minecraft-Projekt von „Ärzte ohne Grenzen“ …

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… schafft Zugang zu jeder Literatur. Für alle.

Dieses Gedankenspiel lässt sich nun sehr schnell weiterspinnen – denken wir bloß an das Thema Homeoffice. Was, wenn man von zuhause aus über digitale Kanäle seinen Arbeitsplatz betreten würde?

Keine Grenzen für Architekten

Nicht zuletzt aufgrund solcher Überlegungen ist das Metaverse unter internationalen Architekten längst zur Spielwiese ohne Grenzen geworden. Ist es doch der Traum jedes Architekten: Keine physischen Zwänge. Keine Sicherheitsvorschriften. Keine Baustellen, Ingenieure oder Bauarbeiter. Selbst die Schwerkraft spielt keine Rolle. Kreativität, sei frei! So das Motto.

Spannend. Aber nicht einfach

„Der Architekt des Metaversums muss über Kenntnisse in traditioneller Architektur, aber auch in konzeptioneller Kunst verfügen. Da man von den Beschränkungen der realen Welt befreit ist, wird die Kreativität stärker betont als die technische Ausführung“, sagt George Bileca, CEO von Voxelarchitects. Das Studio hat sich darauf spezialisiert, digitale Welten mit formschönen Designs zu versehen.

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Während des Lockdowns bauten Studenten der University of Pennsylvania ihre Uni digital nach. Um sie digital zu besuchen.

Er betont aber auch, dass es selbst im Metaverse Regeln gibt und geben wird: „Hier bestehen die Strukturen aus Polygonen oder Voxeln, und man braucht besondere Fähigkeiten, um mit diesen ‚Materialien‘ zu bauen.“ Tatsache aber ist, dass die digitalen Materialien keine derartigen Kosten verursachen, wie reale.

Viele Optionen, wenig Kosten

Allein deshalb erwächst hier für Architekten nicht nur eine kreative Superzone, sondern auch ein neues Geschäftsfeld. Das Metaversum ermöglicht es, Projekte zu verkaufen, ohne sie langwierig realisieren lassen zu müssen. „In einer Branche wie dem Baugewerbe, die immer noch von Ineffizienz, langen Vorlaufzeiten, komplizierten Genehmigungsverfahren und sozialen Hierarchien geprägt ist, kann die architektonische Gestaltung im Metaverse zu einer Verschiebung der Kräfte führen. Weg von den großen Unternehmen und hin zu einzelnen Architekten“, schreibt Fachjournalistin Lisa Cruciani auf dem einschlägigen Blog dormakaba.

Die architektonische Gestaltung im Metaverse kann zu einer Verschiebung der Kräfte führen.

Lisa Cruciani, Fachjournalistin

Das begründet sie unter anderem mit der Tatsache, dass der Markt für digitale Güter doppelt so schnell wächst wie der Markt für materielle. Das würde das Metaverse als neue Plattform für Designer und Architekten besonders interessant machen. Vor allem aber, weil die Flächen, die im Metaversum bereitstehen schon jetzt heiß gehandelt werden. Ein kurzer Blick in die virtuelle Immobilien-Bubble beweist dies eindrucksvoll.

Verrückte Preise im einer fikten Welt

Der Kauf eines Grundstücks in Blockchain-basierten und noch relativ unbewohnten Umgebungen wie Decentraland (300.000 Nutzer) oder The Sandbox (500.000 Nutzer) ermöglicht es jedem, ein Stück dieser digitalen Welten zu besitzen, in die wir – so die Annahme – in Zukunft immer mehr von unserem täglichen Leben verlagern werden.

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So sieht es aus, wenn man die ersten Gehversuche …

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… in der digitalen Welt Decentraland wagt.

Eine Mechanik, an die offenbar viele Investoren bereits glauben: Vor gut einem halben Jahr wurde ein Grundstück von Decentraland für 2,4 Millionen Dollar von einem Unternehmen gekauft: Hier soll nun ein Gewerbegebiet für Luxusmarken gebaut werden. Kurz zuvor hatte ein Investmentfonds 900.000 Dollar für den Erwerb eines Grundstücks auf Decentraland ausgegeben und auf eine weitere Wertsteigerung gewettet. Ähnliche Geschichten gibt es von The Sandbox zu berichten.

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Atari ist gerade dabei im virtuellen Staat The Sandbox ein eigenes Land zu errichten.

Warum die Preise so rasant steigen, ist einfach begründet: Die Anzahl der Grundstücke ist begrenzt. Auf Decentraland gibt es 90.000 virtuelle Flächen von je 15 Quadratmetern. Knappheit schafft Wert und lockt Spekulanten an. Daher ist klar: Diese Flächen müssen irgendwie gestaltet werden. Bespielt werden. Um ihren Wert zu steigern. Um die jeweiligen Investoren glücklich zu machen.

Und genau dafür gibt es eben – Architekten.

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Veliz Arquitecto, Ärzte ohne Grenzen, Andrew Guo, Decentraland, The Sandbox

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