Prag wartet aufs Badeschiff
Die Revitalisierung des Moldau-Ufers hat Architekt Petr Janda viel Applaus und eine EU Mies Award Nominierung gebracht. Sein „Floating Pool“ soll Prag nun noch „cooler“ machen. Nur: Der Weg zum vorab schon preisgekrönten Badeschiff ist wie ein langer, träger Fluss.
Für die Jury der begehrten A + Awards stand schon 2021 fest, dass dieses Vorhaben ein Winner ist: Ein „Floating Pool“ in der Moldau. Unweit der Hochburg Vyšehrad, am rechten Flussufer von Prag. Also mitten in Tschechiens Hauptstadt, in der Flussbäder einst Tradition hatten. Ein fast vergessenes Erbe, das Architekt Petr Janda mit seinem Projekt im modernen Badeschiff-Stil aufleben lassen will. Und so wurde der schöne Entwurf mit einem Architizer Preis in der Kategorie „Freizeit, Sport und Wellness“ ausgezeichnet. Zusatz: „Noch nicht gebaut“. Und an dieser trockenen Tatsache hat sich bislang leider nichts geändert.
Gut Ding, viel Weile
Wie es scheint, wird man in Prag noch länger nicht in den schönen Becken des geplanten „Floating Pools“ baden können. Wobei: Die Fans der Neubelebung der Uferpromenade sind langes Warten gewohnt. Immerhin ist es 13 Jahre her, dass engagierte Bürger den Anstoß dafür gaben. Die Umsetzung der ersten Phase gelang jedoch erst 2019.
Inzwischen gehen Bilder der nach Petr Jandas Plänen grandios revitalisierten Gewölbe in der Ufermauer um die Welt: Im neuen, außergewöhnlichen Design der einstigen Lagerräume finden jetzt Cafés, Clubs, Ateliers und Werkstätten Platz. Versehen mit riesigen schwenkbaren „Bullaugen“, die zugleich Fenster und Eingang sind.
Erfolgreiche „Phase 1“
Die gelungene Neugestaltung landete prompt in der Shortlist des renommierten EU Mies Awards 2022. Und Janda, der sich von Beginn an um die Reanimation der Flusspromenade bemüht, darf sich über zahlreiche weitere Nominierungen und Preise freuen.
Erfolg, der nun die Hoffnung schürt, dass auch der nächste Teil des aufwändigen Vorhabens endlich realisiert werden kann: Der „Floating Pool“, der ein weiteres Highlight an (und in) die Moldau setzt. Prags Oberbürgermeisterin Adriana Krnáčová hatte den Bau des Badeschiffs zwar im Jahr 2017 angekündigt. Doch die Umsetzung blieb aus.
Aufwind fürs Badeschiff
Krnáčovás Nachfolger Zdeněk Hřib scheint nun jedoch in medias res gehen zu wollen. Denn tschechische Medien zitieren seinen im Jänner 2022 verfassten Tweet: „Ich bin ein großer Fan mutiger Projekte, die Prag in der Tschechischen Republik und in der ganzen Welt bekannt machen. Deshalb habe ich mich seit Langem um Unterstützung durch EU-Gelder bemüht, um öffentliche Räume in der ganzen Stadt zu revitalisieren“. Es sei bereits gelungen, vier Milliarden CZK (ca. 163 Millionen Euro) an EU-Mitteln dafür auszuhandeln. Auch für Standorte außerhalb des Stadtzentrums.
Auf die ebenfalls getwitterte Bürgermeister-Frage, ob „Prag ein von Petr Janda/Brainwork entworfenes Floating Spa“ haben möchte, kamen flugs unzählige „Likes“. Allerdings auch einige kontroverse Kommentare. Hřib selbst indes ließ wissen: „Für mich selbst sage ich ja! Warum? Damit würde ein einmalig attraktiver Erholungsort direkt unter dem Vyšehrad-Felsen entstehen. Ein schöner Punkt im öffentlichen Raum am Ende der gesamten Povltavská-Promenade“.
„Floating Pool“ mit vielen Extras
Ein Blick auf den Entwurf, den Janda und sein Studio Brainwork fürs elegante Badeschiff designt haben, macht des Bürgermeisters Worte absolut nachvollziehbar. Die schwimmende Anlage ist als Umbau eines Frachtschiffes konzipiert. Dem Körper des aquatischen Transporters wird ein neuer Teil hinzugefügt und mit den Querrippen des bestehenden verbunden. Das Becken ist dank seines konstanten Wasserstands kompakt, bietet aber eine Vielzahl unterschiedlicher Tiefenstufen. Damit wird es verschiedenen Schwimmstilen, Aktivitäten und Benutzerwünschen gerecht.
Der eigentliche „Floating Pool“ des Konstrukts wird an der Wasseroberfläche von Überlaufrinnen in drei Teile geteilt. Diese unterscheiden sich durch unterschiedliche Wassertemperaturen und können ganzjährig genutzt werden. Teilbereiche mit geringer Tiefe sind für Kinder und Nichtschwimmer konzipiert. Das Badeschiff verfügt über eine Relax-Zone mit Wasserspeiern und Unterwasserelementen im mittleren Teil und umlaufende Sitzbänke an beiden Seiten des Beckens.
Vielseitig nutzbar
Obwohl Janda und sein Team das Badeschiff vor allem als erholsamen Freizeit-Treff betrachten, kann das Konzept auch den Ansprüchen sportbegeisterter Gäste gerecht werden. Möglich wird dies durch die Aufteilung des Floating Pools, die beides sowohl parallel als auch getrennt erlaubt.
Das Projekt ist auf effiziente, funktionelle Nutzung des Raums ausgerichtet. Sowohl was den Floating Pool selbst, als auch was alle Einrichtungen des Badeschiffs betrifft. Hubschleusenkammern sichern, dass die schwimmende Anlage problemlos gewartet und bei Hochwasseralarm zu einem geschützten Dock transportiert werden kann. Eine Vorkehrung, die Breite, Höhe und zum Teil auch Länge beider Teile vorgibt: Sie müssen in die Schleusenkammer passen und leicht manipulierbar sein.
Durchdachtes Konzept
Innerhalb des so festgelegten Außenvolumens folgt die Raumnutzung einer präzisen Logik: Die Zirkulation der Nutzer (etwa durch die Umkleideräume), die – für die Balance essenzielle – gleichmäßige Verteilung über den Schiffsrumpf und die Fluchtwege bestimmen die Anordnung. So wird das Badeschiff zu einem komplexen Gefüge, in dem jeder Gast jeden Bereich auf mehreren unterschiedlichen Wegen erreichen kann.
Sichere Technik
Gleichmäßig um den Rumpf verteilte Techniktanks unter den Pools und hydraulische Anker sorgen für Balance des Beckenkörpers. Sie wirken ausgleichend und sichern, dass das Badeschiff auch bei dynamischer Belastung niemals kippt.
Der Entwurf wendet eine parametrische Lösung an, um die Aufbauten auf dem ursprünglichen Rumpf eines Frachtschiffs zu vervollständigen. Um dem Muster der Rippen zu folgen, wird ein dynamisches Freiform-Prinzip eingesetzt. Die Innenräume werden mit dynamischen Formen ausgeschnitten. So entsteht der Eindruck eines kontinuierlichen, unendlichen Raums, der im Inneren des Rumpfs und in die äußeren Teile fließt.
Fabelhaft schwimmen in Prag
Der Floating Pool besteht aus rostfreiem Stahl mit speziellen Überlauf- und Sammelrinnen für die Wasserumwälzung. Transparente Acryl-Wände lassen die Grenzen zwischen seinen verschiedenen Bereichen optisch verschwimmen. Für den Betrachter lockt also ein einzige, glitzernde Nassfläche zum Freizeitgenuss auf dem neuen Badeschiff: „Wasser im Wasser“ – oder, anders gesagt, „ein Infinity-Pool“ in der Moldau.
Das Badeschiff besteht aus drei Hauptmaterialien, die sowohl seine physische Konstruktion als auch seinen Look dominieren: Stahl, Holz und Wasser. Die Struktur beider Teile des Projekts besteht aus Stahl. Der Teil der Schiffsanlage aus Baustahl. Dieser bildet einen aus Rippen und Panzerung bestehenden Rumpf, dessen Oberfläche durch Lackierung behandelt wird.
Edles Design fürs Moldau-Ufer
Außen- und Innenbereich werden mittels einer durch Holzdecks ergänzten Isolierverglasung getrennt. Alle technischen Installationen sind im Hohlraum des Unterdecks unter dem Boden versteckt und mit Sicherheitspumpen und -sensoren ausgestattet. Sanitäranlagen, Toiletten und Bar-Bereiche sind mit schwarzem titanbeschichtetem Edelstahlblech verkleidet. Ebenso, wie alle modularen Elemente in den bereits revitalisierten Gewölben am Flussufer von Prag. Damit wird optisch unterstrichen, dass auch das Badeschiff ein Teil des von Petr Janda und seinen Kollegen designten Gesamtprojekts „Neubelebung der Uferpromenade“ ist.
Der Floating Pool ist mit interner Wasserzirkulation und Rückgewinnung ausgestattet. Das Badeschiff verfügt über eine Wärmepumpe. Im Winter ist die stabile Temperatur des Flusses ein Vorteil. Verantwortlich dafür ist das bestehende Staudamm-System: Die „Moldau Kaskade“ wärmt das Wasser aus dem unteren Teil jedes Damms.
Natürlich werden alle Zonen des Badeschiff-Beckens bestmöglich isoliert. So, dass die Wärmedämmung die Vorgaben für Niedrigenergie-Gebäude übertrifft.
Nachhaltig & effizient
Zudem sieht der Entwurf für Prags Floating Pool isolierende Jalousien vor, die mehrfach Nutzen bringen: Sie schützen die Wasseroberfläche abseits der Betriebszeiten und verhindern Wärmeverluste und Verdunstung. Zugleich helfen sie dem Badeschiff, mit der Kraft der Sonne Energie zu sparen. Denn ihre lichtdurchlässigen Hohllamellen mit dunkler, auf der Wasseroberfläche ruhender Unterseite wärmen das Wasser.
Dass die Ideen des Prager Architekten Petr Janda in faszinierende Werke münden, kann man in Prag bereits betrachten. Die spektakulären „Bullaugen-Gewölbe“ sind absolut sehenswert. Mittlerweile sind 26 fertiggestellt. Und zwar in mehreren Varianten, was Form, Größe und Grundstruktur betrifft.
Sehenswerte Stadterneuerung
In die jüngst veröffentlichte Reihe der nur sieben Finalisten des EU Mies Awards 2022 hat es Jandas „Floating Pool“ für Prag zwar letztlich nicht geschafft. Doch auch in die nur 40 Projekte (von insgesamt 532) umfassende Shortlist des honorigen Preises gewählt worden zu sein, hat Gewicht.
Auch, dass die Wiederbelebung urbaner Uferzonen in vielen Städten – wie etwa Belfast oder Danzig – mit Verve betrieben wird, könnte dem Vorhaben „Moldau Badeschiff“ zusätzlichen Rückenwind verschaffen. Schließlich würde damit, wie Bürgermeister Zdeněk Hřib selbst twittern ließ, „ein einmalig attraktiver Erholungsort“ entstehen. Wie lang Prag weiter darauf warten muss, bleibt jedoch derzeit weiter offen.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Petr Janda / Brainwork, SDAR