Ein Schatz an Ressourcen
Alte Industriegebäude lassen sich in hochmoderne Büros verwandeln und bieten obendrein Baumaterialien aus zweiter Hand. Im Fall des Vorzeigeprojektes Redfox Commons in Portland, Oregon, wurde an die 80 Jahre altes Holz geborgen und neu verbaut.
Im Jahr 2016 produzierte die EU 2,5 Milliarden Tonnen Abfall. 36,4 Prozent davon gehen auf das Konto des Baugewerbes. Das EU-Kreislaufwirtschaftspaket soll damit künftig aufräumen, schließlich stecken in Bau- und Abbruchabfällen wertvolle Ressourcen. Ein Teil davon wird für den Straßenbau und die Verfüllung von Baugruben verwendet, aber ein beträchtlicher Teil landet nach wie vor auf der Deponie. Beim Rückbau von Holzelementen aus Bestandsgebäuden zeigt sich, „wie wenig nachhaltig die Baubranche nach wie vor mit Ressourcen umgeht“, urteilte das Internationale Holzbau-Forum 2019. Um zeitaufwändige Untersuchungen zu vermeiden, die feststellen, ob das Material mit Holzschutzmitteln behandelt wurde, landet das Altholz stattdessen in der Müllverbrennungsanlage. Damit geht nicht nur hochwertiges Baumaterial verloren, das darin gespeicherte CO₂ wird außerdem frühzeitig wieder freigesetzt.
Dass es auch anders geht, zeigt das preisgekrönte Projekt Redfox Commons im wohlhabenden Northwest District von Portland, Oregon. Das Architekturbüro Lever Architecture verwandelte zwei Industriegebäude aus dem Zweiten Weltkrieg in einen lichtdurchfluteten Office-Campus. „Das Projekt ist ein Katalysator für Ideen, wie die Immobilienentwicklung ungenutzte Strukturen und Materialien wirksam einsetzen und unsere Städte damit aufwerten kann“, heißt es vonseiten der Architekten.
Ressourcen müssen im Kreislauf bleiben
Adaptive Re-use, also die adaptive Wiederverwendung von Gebäuden, ist nach wie vor ein experimentelles Feld. Es braucht dafür innovative Konzepte und zudem den Willen aller Baubeteiligten, neue Wege zu gehen. Wege, die oft mühsamer und länger sind, als es das herkömmliche lineare Wirtschaftssystem vorsieht.
Doch auf dem Weg zur Klimawende führt nichts am Kreislaufdenken vorbei, darin sind sich Experten einig. Um CO₂ einzusparen und die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen zu minimieren, müssen wertvolle Rohstoffe im Kreislauf bleiben. Für die Baubranche heißt das auch, Gebäude künftig so zu bauen, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus demontiert und wiederverwertet werden können.
Neuer Bauteil aus gerettetem Altholz
Der Heuballen-Erzeuger J.A. Freeman & Sons hatte die künftige Demontage seiner Produktionshallen wohl nicht im Kopf, als er sie in den 1940er-Jahren am Stadtrand von Portland errichten ließ. Doch bei historischen Holzkonstruktionen dieser Art wurden die Materialien von Natur aus sortenrein verbaut. Und der Bestand sollte sich als wahrer Schatz an Ressourcen entpuppen.
Das Projekt ist ein Katalysator für Ideen, wie die Immobilienentwicklung ungenutzte Strukturen und Materialien wirksam einsetzen und unsere Städte damit aufwerten kann.
Lever Architecture, Architekturbüro
So konnte man etwa die massive Holzstruktur der beiden Gebäude durchgehend erhalten, die Balken und Träger wurden lediglich sandgestrahlt. Sie machen sich gut im neuen Bürokomplex und tragen zum industriellen Charme der neuen Büroflächen bei. Doch die alten Industriehallen gaben noch weitaus mehr her. Das Holz, das in einem Zwischengeschoss verbaut war, ließen die Architekten abbauen und ihrer Länge nach katalogisieren und lagern.
Aus diesem geretteten Baumaterial entstand schließlich ein neuer Eingangsbereich, der die beiden Baukörper miteinander verbindet. „Das Volumen und die Qualität des geretteten Altholzes war außergewöhnlich hoch, sodass wir es für die Rahmenstruktur, die Treppenstufen und den Boden des neuen Zubaus verwenden konnten“, wie Lever Architecture den Bauprozess beschreibt. So konnten insgesamt rund 2000 Laufmeter Holz wiederverwendet werden.
Industrielle Ästhetik blieb erhalten
Den Architekten war es auch ein Anliegen, das historisch-industrielle Erbe der Bauten auch nach außen hin zu erhalten. So setzten sie originalgetreue Bandfenster ein und verkleideten die Gebäude an der Außenseite mit Witterungsstahl. Um mehr Tageslicht ins Innere der Bauteile zu bringen, baute man an den Dächern Oberlichten ein.
Das in Portland und Los Angeles ansässige Architekturbüro Lever Architecture hat sich dem nachhaltigen Bauen verschrieben. Zuletzt erregte es mit seinem Wettbewerbsbeitrag für das Anthony Timberlands Center, die neue Holzbau-Uni in Arkansas, Aufmerksamkeit.
Architektur auf den Punkt gebracht
„Um anspruchsvolle Arbeit bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit zu liefern, bedarf es einer punktgenauen Architektur und der Bereitschaft, das Bauen neu zu denken“, heißt es im Leitbild des Unternehmens. „Wir stellen herkömmliche Produktionswege in Frage, verwenden lokale, gewöhnliche Materialien auf ungewöhnliche Weise und setzen auf ein Bauen, das der Umwelt und der regionalen Wirtschaft zugute kommt.“
Mit dem Projekt Redfox Commons haben sie gezeigt, dass es sich lohnt genau hinzuschauen, welche Materialschätze im Bestand schlummern und darauf warten, geborgen zu werden.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Jeremy Bittermann, Lara Swimmer, Lever Architecture