Schöner shoppen in Eindhoven (Bild: MVRDV)
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Schöner shoppen in Eindhoven

Der Siegeszug des Online-Shoppings macht vielen Einkaufszentren schwer zu schaffen. Das Büro MVRDV entwickelt Ideen, die wieder für mehr Zulauf sorgen. Zum Beispiel in Eindhoven: Das veraltete „Heuvel“ wird zum nachhaltigen Kulturzentrum mit Dachterrassenpark.

Warum sich in die City plagen, wenn man gemütlich shoppen will? Mit dem Auto mündet derlei in mühsame Parkplatzsuche und Stau. Öffentlich angereist bleibt’s indes nicht erspart, Erworbenes hernach zu schleppen. Die Covid-Pandemie hat den Online-Handel zusätzlich beflügelt, während viele Einkaufszentren mit bedrohlichem Besucherschwund ringen. Das niederländische Büro MVRDV will das Dilemma lösen. Etwa in London mit dem spektakulären „Marble Arch Hill“, der die Oxford Street rasch neu beleben soll. Und jetzt auch in Eindhoven, wo die Architekten das in die Jahre gekommene „Heuvel“ zum nachhaltigen Kulturtreff mit grüner Parkanlage umstylen.

Erbe des Kaufhaus-Meisters

Das 1992 eröffnete „Heuvel“ liegt im Zentrum von Eindhoven. Vom Architekten und Immobilienunternehmer Walter Brune entworfen, hat es einst deutlich bessere Zeiten gesehen. Schließlich wusste Brune genau, was er tat: Ab den späten 1950er Jahren designte er 20 Jahre lang Kaufhäuser. Und zwar solche, in denen das Doppelte des bisher üblichen Umsatzes erzielt wurde. 

Schöner shoppen in Eindhoven. Das „Heuvel“ soll zum modernen, attraktiven Treffpunkt in der City von Eindhoven werden. (Bild: MVRDV)
Das „Heuvel“ soll zum modernen, attraktiven Treffpunkt in der City von Eindhoven werden.

Brune galt als Experte seines Fachs und hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der Einzelhandelsarchitektur in Deutschland. Sein Indoor-Konsumtempel in Eindhoven beherbergt über 80 Geschäfte, ein Parkhaus und einen überdachten Fahrradschuppen. Auch der Konzertsaal Muziekgebouw Frits Philips Eindhoven und das Holland Casino befinden sich im dreistöckigen Bauwerk, das jetzt ein großes Comeback erleben soll. 

City-Treff für Eindhoven

MVRDVs Entwurf verwandelt das „Heuvel“ in ein Stadtquartier mit modern-attraktivem Angebot: Shopping, Kultur und Erholung – alles, was Besucher lockt, wird an einem Ort zu finden sein. Die bestehenden Gebäude werden erweitert und aufgebrochen, um sie besser mit den umliegenden öffentlichen Räumen und Kultureinrichtungen der Innenstadt von Eindhoven zu verbinden.

Schöner shoppen in Eindhoven (Bild: MVRDV)
MVRDVs Erneuerungskonzept: Viel Grün, breiteres Angebot und mehr öffentlicher Raum.

Die überdachten Passagen des Einkaufszentrums werden durch offene Straßen ersetzt. Damit soll das Quartier ins urbane Treiben ringsum eingebunden werden. Die Dächer des neuen „Heuvel“ werden begrünt und begehbar gemacht. So entsteht ein öffentlich zugänglicher Park, der das gesamte Umfeld aufwertet.

„Berg aus Glas“ für die Musik

Eine extravagante Idee der MVRDV-Architekten wird dem Projekt zusätzlich Aufmerksamkeit verschaffen: Über dem bestehenden Muziekgebouw ist ein gestapeltes Kulturgebäude unter einem „gläsernen Berg“ vorgesehen. Diesen „Music Mountain“ werden Besucher erklimmen können, um dort einen famosen Ausblick über Eindhoven zu genießen. Außerdem verleiht das gläserne Gebilde dem „Heuvel“ ein unübersehbares Wahrzeichen.

Schöner shoppen in Eindhoven. Zukunft des „Heuvel“: Parkanlagen mit Fernblick auf den Dächern und ein markanter „Berg“ aus Glas. (Bild: MVRDV)
Zukunft des „Heuvel“: Parkanlagen mit Fernblick auf den Dächern und ein markanter „Berg“ aus Glas.

Das innovative Projekt soll zur Verdichtung und Begrünung von Eindhovens Zentrum beitragen. Zudem bekommt das Muziekgebouw im Zuge der Erneuerung mehr Platz. Damit wird es möglich, sein Programm-Angebot zu erweitern. Es soll zum „Wohnzimmer“ der Stadt werden, in dessen Foyers die Eindhovener tagsüber entspannen und arbeiten können.

Bunter Funktionsmix

Der neue Funktionsmix firmiert unter dem Namen „Het Heuvelkwartier & De Muziekberg“ – also „Das Hügelviertel & der Musikberg“. Und alles ist darauf ausgerichtet, möglichst viele Besucher anzuziehen. 

Kultur macht Städte attraktiv

Winy Maas, Architekt und MVRDV-Gründungspartner

Schöner shoppen in Eindhoven (Bild: MVRDV)

Schöner shoppen in Eindhoven (Bild: MVRDV)

„Kultur macht eine Stadt attraktiv“, ist MVRDV Gründungspartner Winy Maas überzeugt: „Eine so schnell wachsende Stadt wie Eindhoven verdient ein zentrales Musikzentrum, das besser sichtbar ist“.

Schöne Vision für Eindhoven

Die Vision des international renommierten Architekten ist ein „offenes und zugängliches Einkaufs-, Wohn- und Kulturviertel“. Wie MVRDV dies erreichen will, skizziert Maas so: „Indem wir die bestehenden Gebäude radikal öffnen, den Komplex in sieben neue Stadtblöcke verwandeln und von den Dächern aus nach oben erweitern“. 

Schöner shoppen in Eindhoven (Bild: MVRDV)

Das Projekt in Eindhoven ist das Ergebnis einer Vereinbarung, die 2020 zwischen CBRE Global Investors, der Stadt, der Provinz Noord Brabant, dem Muziekgebouw Eindhoven und VNO-NCW getroffen wurde. Ziel der Modernisierung ist es, den Komplex für alle wieder attraktiv zu machen, die einkaufen und ausgehen wollen. Gleichzeitig will Winy Maas „die Interaktion mit der Innenstadt“ gewährleisten und dem Areal „eine ganz andere Anziehungskraft“ verleihen. 

Neuer Shopping- und Kulturtreff in Eindhoven: Skizze zum Erneuerungsprojekt „Heuvel“. (Bild: MVRDV)

Dass Maas‘ Büro sich darauf versteht, neue urbane Hotspots zu entwickeln, beweisen auch MVRDV-Projekte wie die grüne Oase „Tainan Spring“ in Taiwan, die auf den Fundamenten eines halb abgerissenen Einkaufszentrums entstand. Gleiches gilt für den Umbauplan der brutalistischen „Pyramide von Tirana“ zum erfrischend „jungen“ Kulturtreff. Und für das hippe Mixed-Use-Gebäude „WERK 12“ in München erhielten die Niederländer Deutschlands begehrten DAM Preis

Schöner shoppen in Eindhoven (Bild: MVRDV)

Der Planer des ursprünglichen „Heuvel“ hätte vermutlich Freude an der Reanimation seines Werks. Ebenso, wie sein österreichischer Kollege Victor Gruen, der als Designer der ersten modernen Einkaufszentren am Rand von US-Städten Furore machte. Denn beide Architekten orientierten sich am Puls der Zeit. Mitunter sogar fast prophetisch: Gruen gilt auch als „geistiger Vater“ der ersten Wiener Fußgängerzone in der Kärntner Straße. Und sein bekanntestes Argument für diese, damals heftig kritisierte Innovation, gewinnt inzwischen auf neue Art Bedeutung, lautete es doch: „Autos kaufen nichts“. 

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: MVRDV

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