Smart Factory
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Die erste Smart Factory der Formel 1

Aston Martin Racing baut sich für 200 Millionen britische Pfund die erste Smart Factory der Formel 1. Mit eigenem Windkanal. Und direkt an der Rennstrecke von Silverstone.

Ein Monument fällt. Die Fabrik des früheren Formel 1-Teams Jordan wird geschliffen. Eddie Jordan hatte in den 1990ern die geniale Idee, die Werkstätten und Produktionshallen für seinen Rennstall direkt an der Rennstrecke von Silverstone anzusiedeln. Seither galt diese Fabrik mit ihrem markanten Eingang für Rennsportfans als eine der Kathedralen im PS-Zirkus.

Der schillernde Ire verkaufte seinen Rennstall Ende 2005. Die Nachbesitzer kamen und gingen, die Teamnamen wechselten im Rhythmus weniger Jahre. Die Fabrik blieb. Egal, unter welchem Namen die Boliden des ehemaligen Jordan-Teams im Kreis fuhren, die Werkshallen in Northamptonshire dienten ihnen stets als Heimstätte und Schaltstelle für das Team.

Smart Factory
Der markante Eingang zur Fabrik von Eddie Jordan.

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Die in den 1990ern erbaute Fabrik von Jordan.

Masterplan zum Weltmeistertitel

Jetzt ist Eddie Jordans einst visionäre Fabrik Geschichte. Lawrence Stroll, kanadischer Milliardär, hatte 2018 Force India, das Nachnachnach…-Folgeteam von Jordan und damit auch die Fabrik gekauft. Nachdem der Neoeigentümer den Rennstall in Aston Martin umbenannt hatte, präsentierte Stroll im März 2021 einen Masterplan, in dessen Mittelpunkt eine völlig neue Formel-1-Fabrik und als großes Ziel der Weltmeister-Titel stehen. Gebaut wird auf dem Gelände der ehemaligen Jordan-Fabrik.

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Lawrence Stroll, Team-Besitzerund CEO von Aston Martin Racing.

F1-Smart Factory

Die neue Fabrik von Aston Martin Racing gilt in der hochtechnisierten Formel 1 als „Game Changer“, als die allererste „drahtlose, intelligente Fabrik“ der Formel 1. Das nicht nur wegen des eigenen Windkanals, dem Glanzstück der neuen Anlage. Stroll beziehungsweise Aston Martin stecken 200 Millionen britische Pfund in die erste Smart Factory der Vollgaszunft, umgerechnet rund 230 Millionen Euro.

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Beim neuen Aston Martin Campus handelt es sich um die erste völlig neue Formel-1-Fabrik, die nach knapp zwanzig Jahren Stillstand entsteht. Zuletzt hatte McLaren im Jahr 2004 sein von Stararchitekt Sir Norman Foster geplantes Technology Centre in Woking eröffnet.

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Die neue Fabrik von Aston Martin liegt in unmittelbarer Nähe zum Kurs von Silverstone.

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Blick aus der Aston Martin Fabrik auf die klassische Grand Prix-Rennstrecke von Silverstone.

Seitenhieb auf Konkurrenz

Teambesitzer Stroll hatte seine Pläne nicht nur mit einer klaren Vision, sondern auch mit einem Seitenhieb auf den Konkurrenten McLaren präsentiert: „Das ist genau das Gegenteil von dem, was Ron Dennis beim McLaren-Technology-Centre gemacht hat. Aston Martin räumt der Funktion den Vorrang ein, nicht der Ästhetik.“

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Die neue, zweigeschossige Schaltzentrale von Aston Martin Racing in einem ersten Entwurf.

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McLaren Technology Centre in Woking, entworfen von Sir Norman Foster.

Die neue Heimat des Aston Martin Aramco Cognizant Formula One® Teams, so der aktuelle, komplette Name des Rennstalls, besteht aus drei Gebäude-Komplexen. Diese entstehen in drei Bauabschnitten, die einzelnen Gebäudeteile werden letztendlich mit Brücken verbunden.

Headquarter für alle

Der Spatenstich zu dem Werk auf dem rund 37.000 Quadratmeter großen Areal, inklusive Hubschrauberlandeplatz, fand im September 2021 statt. Die gesamte Bauphase des insgesamt 400 Meter langen Komplexes mit 16.250 Quadratmeter Nutzfläche ist mit 18 Monaten angesetzt. Noch 2023 sollen die ersten Hallen bezogen werden. Erstmals werden dann alle Abteilungen des Rennstalls an einem einzigen Ort versammelt sein.

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Teamleistung

Entworfen wurde die neue zweigeschossige Heimat von Aston Martin F1 von der Architektursparte des multidisziplinären Londoner Immobilien- und Bauberatungsunternehmens Ridge and Partners LLP, dem Bauberatungsunternehmen Gardiner & Theobald sowie internen Projekt-Teams. In das Schlüsselprojekt sind zudem Partner-Unternehmen des Rennstalls eng eingebunden, von Juniper Networks über NetApp und Sentinel One bis hin zu Cognizant und dem Baumaschinen-Konzern JCB. Die gesamte Bauleitung liegt beim Londoner Büro McLaren Constructions.

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Kurze Wege, mehr Kreativität

Im ersten Block ist der zentralen Unternehmenssitz von Aston Martin Racing beheimatet. Werkstätten, Installationshallen und technische Nebenräume sind im Erdgeschoss untergebracht, während in der oberen Etage die wichtigsten Konstruktions-, Planungs- und Design-Abteilungen auf einer einzigen, offenen Bürofläche angesiedelt sind. Dadurch sollen nicht nur die Wege verkürzt, sondern auch die Kreativität gefördert werden.

Smart Factory

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Hier werden die Boliden entworfen, alle strategischen Entscheidungen getroffen und andere wichtigen Operationen umgesetzt. Auch Team-Prinzipal Stroll genießt hier die Vorzüge eines riesigen, lichtdurchfluteten Eckbüros, inklusive repräsentativer Terrasse. Den historischen Silverstone Grand Prix Circuit direkt im Blick.

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Der imposante Haupttrakt mit eindrucksvoller Dachfläche.

Symetrischer Grundriss

Das Herzstück dieses Hauptgebäudes ist eine 160 Meter lange „Straße“, die sich von einem zum anderen Ende durch den gesamten Komplex zieht. Links und rechts dieser Schlagader sind die einzelnen, exakt auf die Abläufe für die Produktion der F1-Boliden abgestimmten Abteilungen angesiedelt. Durch die klare Symetrie wird auch die „labyrinthartige Anordnung anderer F1-Fabriken“ vermieden. Die Ausrichtung der Fenster nach Norden soll nicht nur ein angenehmes Klima für die Belegschaft schaffen, sondern auch die Computerbildschirme vor direkter Sonneneinstrahlung schützen.  

In die Planung waren die Ingenieure des Rennstalls eng eingebunden, um ihren Wünschen möglichst gerecht zu werden und die Abläufe innerhalb des Rennteams zu optimieren. Dabei spielten auch kleinste Details wie beispielsweise die Platzierung von Schränken und die Anordnung von Schubladen eine wichtige Rolle.

Unsere neuen Gebäude spiegeln nicht nur unserer Entschlossenheit wider, eine Kraft zu werden, die Weltmeisterschaften gewinnt, sie sind auch ein Ausdruck für unser Wachstum und unserer Entwicklung als Organisation, ein starker Repräsentant der Menschen, die darin arbeiten.

Lawrence Stroll, Executive Chairman Aston Martin Cognizant Formula One

Auf der Kostenbremse

Für den Rennstall zählt aber auch der Budget-Faktor. Denn die neue Aston Martin-Fabrik ist die erste, die unter den Prämissen der neuen Budgetobergrenze in der F1 geplant wurde. Je effizienter und damit auch kostengünstiger die internen Abläufe bei der Entwicklung und dem Bau neuer Teile ausfallen, umso mehr können davon generell produziert oder mit technischen Neuerungen ausgestattet werden.

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Gute Aussichten für den Rennstall-Besitzer von seinem neuen Büro im Headquarter des Rennstalls.

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Eckbüro von Boss Stroll mit Terrasse und direktem Blick auf die Rennstrecke von Silverstone.

Windkanal und Rennsimulator

Zentrale Elemente im zweiten Teil sind ein brandneuer Formel-1-Simulator und der neue Windkanal, der gegen Ende 2024 in Betrieb gehen soll. Er steht dem Team dann rund um die Uhr für Tests zur Verfügung und gilt als der modernste im gesamten Rennzirkus. Noch ein bisschen innovativer als jener von McLaren, der ebenfalls gerade hochgezogen wird. Nur diese beiden Teams haben in den vergangenen zehn Jahren einen eigenen Windkanal geplant und gebaut.

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Die Baustelle für den neuen Windkanal.

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Hier entsteht der modernste Windkanal der Formel 1.

Im dritten und letzten Gebäudeteil sind schließlich das Logistikzentrum des Rennstalls, ein Erlebnis- und Veranstaltungsareal sowie Freizeit- und Sozial-Räume für die in Summe mehr als 1.000 Mitarbeiter untergebracht. Dazu existiert allerdings noch kein genaues Fertigstellungsdatum. Dort, wo einst die Jordan-Fabrik stand, wird es dann in der Aston Martin-Kantine aus Töpfen und Tellern dampfen.

Text: Albert Sachs
Bild: Aston Martin Aramco Cognizant Formula One, McLaren Construction, McLaren F1

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