In der niederländischen Stadt Den Haag ist ein 130 Meter hohes Holz-Hochhaus in Planung. Der Entwurf für The Lodge ist der Beginn einer neuen Ära von grünen Skyscrapern, die das Holz vor die Fassade holen.

Viele sogenannte Woodscraper, also Skyscraper aus Holz, präsentieren sich von außen wie ihre Hochhausgenossen aus Stahlbeton. Oft im Internationalen Stil, mit kubischer Form und der gewohnten Alu-Glas-Fassade. Träger, Stützen, Wände und Decken aus Brettsperrholz zeigen sich dort nur im Inneren. Die Londoner Architekten von PLP Architecture gehen bei ihrem Projekt The Lodge einen neuen, radikaleren Weg. So zeigt der in der niederländischen Stadt Den Haag geplante Wohn-Tower eine äußere Stützstruktur von miteinander verwobenen Holzträgern.

The Lodge, Den Haag
Die verwobene Holzstruktur von The Lodge hat tragende Funktion.

Als Provokation der Bauindustrie reizen wir mit unseren Entwürfen die theoretischen Grenzen der pflanzenbasierten Baustoffe aus.

Kevin Flanagan, PLP Architecture

Dieses Hochhaus im Korb ist der kleine Bruder des Oakwood Timber Tower, den die Architekten gemeinsam mit der University of Cambridge für das Londoner Barbican Estate entworfen haben. Während der Turm jenseits des Ärmelkanals über 300 Meter in den Himmel ragen soll, ist der ovale Tower in Den Haag mit einer Höhe von 130 Metern geplant. Damit wird er mit dem in Eindhoven entstehenden Projekt The Dutch Mountains auf Augenhöhe sein. Auftraggeber von The Lodge ist der niederländische Entwickler Provast, der für seinen Bau den Titel „Höchster Massivholz-Tower der Welt“ beansprucht.

Flechtstruktur aus Glulam

Das Spektakuläre an diesem Entwurf ist die äußere Flechtstruktur des Turms. Sie besteht aus schräg verlaufenden Streben aus sogenanntem Glulam. Die Abkürzung steht für Glued Laminated Timber, das ist Brettschichtholz, dessen Lagen – im Gegensatz zum Brettsprerrholz (CLT) – in gleicher Faserrichtung verleimt sind. Der Entwurf beruht auf entsprechenden Materialstudien, die das Designteam gemeinsam mit Wissenschaftlern des Centre for Natural Material Innovation in Cambridge und Smith and Wallwork Engineers durchgeführt haben.

SkyBar, The Lodge, Den Haag
Die öffentlich zugängliche Terrasse an der Spitze des grünen Skyscrapers wird Aussichten über Den Haag und die Nordseeküste bieten.

Die äußere Stützstruktur aus Holz sorgt laut Architekten für die seitliche Stabilität des Bauwerks und trägt einen großen Teil der Schwerkraftlasten. Die Glulam-Streben sind mit einem gleichmäßigen Abstand von 3,6 Metern angeordnet. Sie verlaufen gerade bis zum höchsten Punkt des Gebäudes und bilden dabei eine 3D-Hyperboloid-Form.

Jenseits des leicht Machbaren

Der ungewöhnliche ovale Grundriss von The Lodge entspricht einer Grundfläche von rund 24 mal 48 Metern. Neben der außergewöhnlichen Form des geplanten Wohnturms ist auch die Konstruktionsart sehr speziell, wie die Architekten erklären: „Alle Holz-Streben und -Wände werden durchgehend über die gesamte Höhe des Gebäudes laufen und so die herkömmliche Konstruktionsmethode der Wand-Decken-Verbindung ablösen.“

Ansicht, The Lodge, Den Haag
Die äußere Stützstruktur des Hochhauses besteht aus Glulam-Streben.

Alle Holz-Streben und -Wände werden durchgehend über die gesamte Höhe des Gebäudes laufen und so die herkömmliche Konstruktionsmethode der Wand-Decken-Verbindung ablösen.

PLP Architecture

Das Londoner Architekturbüro möchte mit seiner Entwurfsserie nicht zeigen, was aktuell möglich ist, sondern die Grenzen des Machbaren überschreiten. Ihre Designarbeit ist Teil eines interdisziplinären Forschungsprojektes und soll durch wissenschaftliche Studien gestützt werden. „Als Provokation der Bauindustrie reizen wir mit unseren Entwürfen die theoretischen Grenzen der pflanzenbasierten Baustoffe aus. Damit nähern wir uns oder überschreiten die Grenzen des leicht Machbaren“, beschreibt Architekt Kevin Flanagan im Baumagazin „Materials“ das Ziel des Projektes.

Wohnraum, The Lodge, Den Haag
Holz und Glas: So soll ein Wohnraum in The Lodge aussehen.

SkyBar mit Panoramablick

Zur Infrastruktur des Projektes zählen Restaurants im Erdgeschoss des Gebäudes und ein Terrassen-Café, das sich zu einer öffentlichen Plaza hin öffnet.

Natürlich darf bei einem Hochhaus der Panoramablick nicht fehlen, dem im gänzlich flachen Holland besondere Bedeutung zukommt. Knapp die Hälfte des Landes liegt weniger als einen Meter über dem Meeresspiegel. Mit der geplanten SkyBar bekommt die Stadt an der Nordseeküste einen willkommenen Aussichtspunkt.

Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: PLP Architecture

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