KWK Promes: Vom Schlachthof zur Kunstgalerie (Bild: Luxigon)
#architektur

Vom Schlachthof zur Kunstgalerie

Das polnische Büro KWK Promes verwandelt einen historischen Schlachthof in eine einladende Galerie für zeitgenössische Kunst. Ort des Geschehens: Die tschechische Stadt Ostrava, die mit dem „Plato“ genannten Projekt einen höchst spannenden Kultur-Hotspot bekommt. 

Wo bis 1965 Tierblut floss, hält jetzt Kultur Einzug: Der historische Schlachthof im Zentrum der tschechischen Stadt Ostrava hat eine beeindruckende Metamorphose hinter sich. Denn das polnische Büro KWK Promes hat das denkmalgeschützte Gebäude in eine außergewöhnliche Galerie für zeitgenössische Kunst verwandelt. Ein komplexes Unterfangen, dessen gelungenes Ergebnis im Herbst 2022 seiner feierlichen Eröffnung entgegengeht.

Prägnantes Baudenkmal

Der Ostrauer Schlachthof gilt als eines der bedeutendsten Bauwerke der Stadt. Seine ersten, schlichten Trakte, von denen nur noch die Halle steht, wurden 1881 aus Bruchsteinmauerwerk errichtet. Weil Kohleabbau und Stahlwerk Arbeitsplätze versprachen, wuchs die Bevölkerungszahl rasant – und damit der Bedarf. Also wurde das Schlachthofgelände schon zwischen Ende der 1880er Jahre und 1910 erheblich ausgebaut. 

KWK Promes hat den historischen Ostrauer Schlachthof in eine moderne Kunstgalerie verwandelt. (Bild: Luxigon)
KWK Promes hat den Schlachthof gekonnt umgestaltet. Besonderes Highlight sind die massiven, schwenkbaren Betontore.

Eine neuerliche Erweiterung folgte nach dem Ersten Weltkrieg. Und jeder Ausbau drückte dem Komplex den architektonischen Stempel seiner Zeit auf. So kamen um die Jahrhundertwende Dachböden, der Turm und der Schornstein hinzu. Man baute mit Ziegel, Fassaden wurden verziert, Verkleidungen angebracht und verschiedene Fenster und Türen gesetzt. In den 1920er Jahren indes entstanden neue, funktionelle Gebäude mit Stahlbetonrahmen und schlichten Putzfronten. 

Abgenützt geschützt

Weitere kleine Verbesserungen fanden zwar noch statt. Doch die Kapazitäten des Schlachthofs waren schon in den 1930er Jahren wieder mehr als ausgereizt. Zu einer angedachten Verlegung an den Stadtrand kam es wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs nicht. Bis 1965 blieb der Betrieb aufrecht, dann wurde die Anlage noch bis 1986 anderweitig genutzt. Was folgte, waren teilweiser Abbruch und Verfall. Kompletter Abriss blieb aus. Wie es heißt aber nur, weil der älteste Bereich 1987 unter Denkmalschutz gestellt worden war.

KWK Promes hat den Schlachthof gekonnt umgestaltet. Besonderes Highlight sind die massiven, schwenkbaren Betontore. (Bild: Luxigon)

Eigentlich hätte der Hobbymarkt „Bauhaus“, der 1994 nebenan einzog, den Schlachthof sanieren sollen. Doch nichts dergleichen geschah. Das Gelände blieb eingezäunt und leer. Erst viele Jahre später schrieb die Stadt einen internationalen Wettbewerb zur Neugestaltung aus. Der Entwurf des innovativen polnischen Büros KWK Promes landete 2017 zwar nicht auf Platz eins. Allerdings kam er letztlich doch zum Zug, weil man sich mit dem Sieger-Büro nicht einigen konnte. Und wie sich jetzt erweist, kommt diese Entscheidung der Stadt Ostrava und dem Projekt durchaus zugute.

Komplexe Aufgabe für KWK Promes

„Wir haben uns für dieses Projekt engagiert, weil uns das Gebäude interessant und erhaltenswert erschien“, schildert Architekt und KWK Promes Gründer Robert Konieczny. Eine schwierige Aufgabe. Die Mauern des Schlachthauses waren verfallen und wiesen an verschiedenen Stellen bedenkliche Lücken auf. Die konservatorischen Richtlinien verlangten eine säubernde Renovierung der als Folge der industriellen Nutzung geschwärzten und verrußten Fassade. Und Wiederherstellung der eingestürzten Teile mit Ziegel, die perfekt ersetzt, was verlorengegangen war.

Hell, modern und offen: Die Ausstellungsräume der von KWK Promes designten, neuen Kunstgalerie „Plato“. (Bild: Luxigon)
Hell, modern und offen: Die Ausstellungsräume der neuen Kunstgalerie „Plato“.

KWK Promes entschied sich, Defekte so zu sanieren, dass der verwitterte Charakter des Industrie-Relikts spürbar bleibt. Rekonstruierte Elemente wurden zwar aus Beton gefertigt, die verzierten historischen Ziegelmauern aber bewahrt. Es galt jedoch nicht nur, das brüchige Mauerwerk zu stabilisieren. Auch die Basis bedurfte einiger Sanierungsarbeit. Der Boden unterm Gebäude enthält aufgeschüttete Reste des früher in der Umgebung von Ostrava intensiv betriebenen Kohleabbaus. Kontaminierte Bereiche mussten also abgetragen werden. Dabei freigelegte, historische Elemente wurden gesichert und können jetzt besichtigt werden.

Eindrucksvolle Tore

Erhalten wurden auch die verschiedenen Gebäudeöffnungen des Schlachthofs. Ursprünglich auf dessen Funktionen zugeschnitten, bieten sie der Stadt jetzt mehrere Zugänge zur Galerie. Und zwar auf beeindruckende Art: Wuchtige, große Drehtore aus Beton schwingen dank eines speziellen Mechanismus auf und öffnen die Ausstellungsräume nach außen.

„Sesam, öffne dich“ zur Kunst

Weil diese Pforten, wenn geschlossen, wie massive Wände wirken, drängt sich unwillkürlich der Satz „Sesam, öffne dich“ aus den „1.000 und eine Nacht“-Geschichten in den Kopf. Die Schätze, die hinter diesen Toren warten, sollen allerdings möglichst viele Menschen erfreuen. Architekt Konieczny: „Durch diese Lösung gewinnen die Künstler völlig neue Möglichkeiten und die Kunst kann buchstäblich nach draußen gehen“. Dies mache Kultur und Wissen auch für neues Publikum zugänglicher.

KWK Promes: Vom Schlachthof zur Kunstgalerie. (Bild: Luxigon)

Den ursprünglichen Plan, den Platz rund um die neue Galerie Plato zu betonieren, verwarf KWK Promes: „Wir haben auf die ständigen Berichte über Klimawandel und ökologische Katastrophen reagiert und das Design verändert“. Statt auf versiegelte Fläche setzt das Team auf natürliche, wasserdurchlässige Oberflächen, viel Grün und Blumenwiesen. Auch Dachbegrünung ist vorgesehen. Denn, so betont das KWK Promes Team: „Wir sind der Überzeugung, dass es sich lohnt, in der Stadt um jeden einzelnen Quadratmeter Grün zu kämpfen“.

Galerie, die Stereotype „schlachtet“

Die Bezeichnung „Plato“ bezieht sich auf die gleichnamige, von der Stadt Ostrava subventionierte Kulturorganisation. Noch residiert diese Institution zur Förderung und Präsentation visueller Kunst im ehemaligen „Bauhaus“-Hobbymarkt unweit der Schlachthofanlage. Dass die Freude aufs neue Zuhause groß ist, verrät ein kecker Spruch, der bereits seit einer Weile auf der Website prangt: „Das Einzige, was wir jetzt schlachten, sind Stereotype“.

KWK Promes: Vom Schlachthof zur Kunstgalerie. (Bild: Luxigon)

Mit Klischees und vorgefassten, starren Regeln kann übrigens auch Architekt Robert Konieczny wenig anfangen. Nicht umsonst war es sein Büro KWK Promes, das mit der Erfüllung eines höchst unkonventionellen Kundenwunsches international Aufsehen erregte: Der Bauherr verlangte nach einem Eigenheim, das sich an Saison und Sonnenstand anpasst. Und Konieczny konnte „liefern“. Er konzipierte kurzerhand das „Quadrant House“: Ein Wohnhaus mit einem Trakt, der auf ins Gartengrün eingesetzten Schienen mit dem Sonnenstand hin und her wandert. 

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Luxigon / KWK Promes

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