Woody M, Tivoligasse, Freimüller-Söllinger, Wien, Holzbau, Nachverdichtung
#stadtplanung

4 Holzwohnhäuser statt 40 Pkw

Wo früher Autos vor dem Supermarkt parkten, stehen nun vier neue Baukörper, die nicht nur in der Fassade, sondern auch in der Struktur aus Holz bestehen. Das Projekt Woody-M in Wien zeigt, wie innerstädtische Nachverdichtung geht.

Bereits in den 1970er-Jahren dämmerte es den Stadtplanern der zunehmend zugeparkten Metropolen, dass das Primat des Autos in der Stadt im Sinne einer Lebensqualität für ihre Bewohner nicht aufgeht. Die großen Veränderungen sind seither ausgeblieben, auch wenn Fußgängerzonen mittlerweile mehr öffentliche Akzeptanz haben und das Parken immer öfter zentral gedacht wird. Ein Projekt im 12. Wiener Gemeindebezirk zeigt, welches stadtplanerische Potenzial sich auftut, wenn ein innerstädtischer Supermarktparkplatz neu gedacht wird. Wo eine versiegelte Fläche einst Platz für 40 Autos bot, erhebt sich nun ein Stadtquartier in klimafreundlicher Holzbauweise. Statt zum Parken ist es jetzt ein vielfältiger Ort zum Wohnen und Leben.

Woody M, Tivoligasse, Freimüller-Söllinger, Wien, Holzbau, Nachverdichtung
Woody-M: einst Supermarkt mit Parkplatz, jetzt hochwertiger und nachhaltiger Lebensraum für viele Menschen.

Städtische Nachverdichtung in Holz

Das Projekt Woody-M vom Büro Freimüller-Söllinger Architektur und Palmers Immobilien besteht aus vier Baukörpern in konstruktiver Holzbauweise, die sich über einem begrünten Sockelgeschoss erheben. Die ehemaligen Parkplätze verlegte man unter die Erde und darüber schaffte man auf fünf Geschossen Wohnraum für über 250 Menschen.

Einen Mehrwert haben durch das Bauprojekt auch die Anwohner an der Meidlinger Tivoligasse bekommen. Aus der einst geschlossenen Asphaltdecke ragt nun an vielen Stellen üppiges Grün und durch die Umnutzung sind einladende Verbindungswege für Fußgänger und Radfahrer entstanden. Die lockere, leicht gedrehte Platzierung der einzelnen Baukörper auf dem Sockel lässt weite Sichtbezüge entstehen, die kein Gefühl einer zugebauten Nachbarschaft aufkommen lassen. Und der einstige Nahversorger ist nach Abschluss der Bauarbeiten wieder in das Erdgeschoss eingezogen.

Woody M, Tivoligasse, Freimüller-Söllinger, Wien, Holzbau, Nachverdichtung
Auf einem Sockelgeschoss erheben sich vier Baukörper in konstruktiver Holzbauweise.

Flexible Wohnräume mit Loftcharakter

Das Zurücksetzen der Baufluchtlinie ermöglichte einen breiten begrünten Zwischenraum auf dem Wohnplateau, auf dem sich die Kubaturen zu einer ungezwungenen Einheit verbinden. „Spielerisch tänzelnd gesetzt bilden hier die Holzbauten ein ortsspezifisches Ensemble. Die Zwischenräume der Bebauung fungieren als grü­ne Freiräume mit Bäumen, Sträuchern und Wiesen für die Bewohner:innen und ermöglichen Blickbezie­hungen zwischen den beiden Nachbargebäuden“, heißt es in der Projektbeschreibung von Freimüller-Söllinger.

Spielerisch tänzelnd gesetzt bilden hier die Holzbauten ein ortsspezifisches Ensemble. Die Zwischenräume der Bebauung fungieren als grü­ne Freiräume mit Bäumen, Sträuchern und Wiesen für die Bewohner:innen und ermöglichen Blickbezie­hungen zwischen den beiden Nachbargebäuden.

Freimüller-Söllinger Architektur

Die Mieter betreten ihre Wohnungen durch vorgelagerte Laubengänge mit angeschlossenem Liftturm. Im Inneren haben die Wohneinheiten Loftcharakter und sind auf eine flexible Nutzung ausgerichtet. Die Trennwände verfügen über Sollbruchstellen und lassen sich so individuell an die jeweilige Lebenssituation anpassen. Großflächige Verglasungen sorgen für einen hohen Tageslichteintrag und großzügige Weitblicke.

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Großflächige Verglasungen sorgen für einen hohen Tageslichteintrag und großzügige Weitblicke.

75 Prozent CO₂ eingespart

Durch den nachhaltigen Holzbau verfügt das Projekt außerdem über eine sehr gute Klimabilanz. „In den vier Baukörpern in Massivholzbauweise werden insgesamt 2.300 m³ Holz aus heimischen Wäldern verbaut – die Menge, die in Österreich in 40 Minuten nachwächst“, erklärt das Architektenteam. In der Holzkonstruktion der Anlage sind somit rund 2.300 Tonnen CO₂ langfristig gebunden. Verglichen mit einem herkömmlichen Stahlbetonbau entspreche das einer Einsparung von 75 Prozent, so die projektspezifische Rechnung. 

In den vier Baukörpern in Massivholzbauweise werden insgesamt 2.300 m³ Holz aus heimischen Wäldern verbaut – die Menge, die in Österreich in 40 Minuten nachwächst.

Freimüller-Söllinger Architektur

Oberhalb des Sockels aus Beton bestehen die Böden, Decken und Wände der Wohnräume zur Gänze aus Brettsperrholz, während die Aussteifung der Baukörper durch die äußeren Laubengangwände aus Betonfertigteilen erfolgt. Insgesamt waren es 829 Holzelemente, die von Meissnitzer Holzbau geplant und im Osttiroler Werk Theurl vorgefertigt wurden. Auf der Baustelle setzte man die Einzelteile, die aufgrund ihrer Übergröße nur in der Nacht angeliefert werden konnten, zusammen.

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Die Wohnräume sind offen und flexibel gestaltet, sodass sie sich an die jeweilige Lebenssituation anpassen lassen.

Durch diese modulare Bauweise ergibt sich naturgemäß auch der Rückbau, das heißt, dass ein Gebäude am Ende seines Lebenszyklus wieder in seine Einzelteile zerlegt werden kann. Eine Voraussetzung für das zirkuläre Bauen der Zukunft, das nicht wie bisher jede Menge Abfall generiert, sondern die Ressourcen im Kreislauf hält.

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Kurt Hörbst

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