Sag’s durch die Blume
Vier Monate dauerte es im chinesischen Nantong für das Architekturbüro Z-one Tech, ein Besucherzentrum mit drei Gebäuden zu errichten – Design inklusive. Zu bestaunen ist dabei jedoch nicht nur die Effizienz in Planung und Umsetzung.
Kennen Sie Nantong? Was klingt wie ein neues asiatisches Nudelgericht ist eine jener chinesischen Städte, von denen man in Europa kaum etwas weiß und die doch von großer lokaler Bedeutung sind. Nantong, eine sogenannte bezirksfreie Stadt, liegt nördlich von Shanghai am (mit Sicherheit besser bekannten) Jangtsekiang.
Die Metropole, mit einer Bevölkerung von mehreren Millionen im erweiterten Stadtgebiet, ist ein wichtiges Zentrum der chinesischen Textilindustrie. Sie kann vor allem mit einem der größten Häfen Chinas beeindrucken.
Pure Effizienz von Z-one
Was Nantong darüber hinaus zu bieten hat, ist außergewöhnliche moderne Architektur. Und, wie überall in China, außergewöhnliche Effizienz: 2021 wurde im Norden der Stadt vom erst ein Jahr zuvor in Shanghai gegründeten Architekturbüro Z-one Tech ein neues Besucherzentrum für den dortigen Urbanen Landwirtschaftspark umgesetzt. Innerhalb von gerade einmal vier Monaten.
Vier Monate vom Design bis zum fertiggestellten Service Center … hierzulande kann man über derartige Schnelligkeit nur staunen, würde doch für ein heimisches Projekt dieser Dimension eher vier Jahre eingeplant werden. Das Ergebnis in Nantong kann sich jedenfalls im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen.
Ein besonderer Getreidespeicher
Das Projekt, neben dem lokalen Waldtierpark gelegen, umfasst auf einer Gesamtfläche von mehr als 4.500 Quadratmetern drei Gebäude. Das Hauptgebäude, eine wellenförmige Konstruktion aus Stahl und Holz, trägt den – in unseren Ohren doch recht eigenartig klingenden – Namen: „Sammle Getreide im Getreidespeicher“.
Sag’s durch die Blume
Von oben betrachtet ähnelt das Gebäude einer Blume mit fünf unterschiedlich großen Blütenblättern. Innerhalb dieser Blätter befindet sich je ein Raum – jeder laut den Architekten einem Lagerhaus nachempfunden: Großflächig, mit hoch gelegenen Decken. In der Mitte der „Blüte“ verbindet ein Glasdach die einzelnen Räume. Besucher sollen in der mit Tageslicht gefluteten, mit viel Holz ausgestatteten Halle eine ruhige, warme Umgebung vorfinden, so die Designer.
Die fünf Räume innerhalb der „Blütenblätter“ haben verschiedene Funktionalitäten. Sie beherbergen eine Bibliothek, einen Ausstellungsraum, einen Speise- und ein Lesesaal sowie eine Multifunktionshalle. Für unterschiedlichen Lichtverhältnisse in jedem Raum sorgen Lichtschächte, die dem jeweiligen Besucher einen speziellen, individuellen Blick je nach Einfallswinkel des Sonnenlichts bieten sollen.
Weißes Wesen in Nantong
Neben dem Hauptgebäude befindet sich die „Ausstellungshalle des Landlebens“. Ein reinweißer Membranbau mit zwei Elementen, der aus der Vogelperspektive – zumindest die reiferen Semester unter – uns – an die Form eines Barbapapas erinnern könnte. (Wobei auch das „Sammle Getreide im Getreidespeicher“-Blumengebäude optisch durchaus dem Design der Barbapapa-Häuser nahekommt).
In der Ausstellungshalle wollte Z-one Tech mittels unterschiedlicher Deckenhöhen das Feeling von unterschiedlichen Räumen schaffen. Horizontale Fensterfronten sorgen für die optische Verbindung mit der umliegenden Landschaft, Dachfenster für zusätzlichen natürlichen Lichteinfall.
Besondere Bedürfnisanstalt
Als drittes Gebäude bleibt jenes für wesentliche menschliche Bedürfnisse … die öffentlichen Toiletten. Bei dieser Konstruktion dominiert ein ausladendes Dach, das der Form eines Blatts nachempfunden wurde und dem Betrachter aufgrund der eingerückten, geflochtenen Holzwände quasi schwebend vorkommen soll, wie das Architektur-Büro erklärt.
Das Toilettenhäuschen stellt demnach einen bewussten Kontrast zu den großen, sehr präsenten anderen beiden Gebäudekonstruktionen dar – wobei anzunehmen ist, dass die Besucher die architektonischen Besonderheiten eher erst „danach“ wahrnehmen werden.
Apropos wahrnehmen: Auch wenn der Urbane Landwirtschaftspark von Nantong üblicher Weise nicht auf der Liste der wichtigsten Sehenswürdigkeiten der China-Reise steht, das neu errichtete Service-Center sorgt mit Sicherheit ab sofort dafür, dass der Name der Stadt im Gedächtnis bleibt.
Oder?
Text: Michi Reichelt
Bilder: LINBIAN
