Ausstellung: EU Mies Award auf „Wanderschaft“ (Foto: Iwan Baan)
#architektur

EU Mies Award zu Gast in Wien

Das Architekturzentrum Wien präsentiert das Siegerprojekt des EU Mies Award 2019, die Finalisten und einen Streifzug durch die Arbeiten aller Nominierten. Von 30. Juli bis 12. Oktober bietet die Werkschau einen spannenden Einblick ins aktuelle Schaffen europäischer Architekten.

Es wäre geradezu frevelhaft, der Siegerehrung nichts weiter folgen zu lassen. Denn was die zum Mies van der Rohe Preis eingereichten Projekte zeigen, ist ein grandioser Überblick über die innovativen Ideen europäischer Architekten. Deshalb wird das Ergebnis des als EU Mies Award bekannten Bewerbs quasi auf „Wanderschaft“ geschickt. Jetzt kommt die Ausstellung nach Österreich: Ab 30. Juli 2020 zeigt das Architekturzentrum Wien Siegerprojekt, Finalisten und Nominierte der jüngsten, 2019 abgeschlossenen Runde. Titel der spannenden Werkschau: „Europas beste Bauten“.

Europäische Top-Architektur

Der nach dem legendären Architekten Ludwig Mies van der Rohe benannte EU Mies Award wird alle zwei Jahre verliehen. Dem jeweiligen Sieger des begehrten Architekturpreises, der besonders nachhaltige und innovative europäische Projekte auszeichnet, winken 60.000 Euro.

Die feierliche Preisverleihung des jüngsten Award-Durchgangs ging im Mies van der Rohe Pavilion in Barcelona über die Bühne. Die entsprechende Wanderausstellung wurde bereits in Charkiw (Ukraine), Atlanta und Brüssel gezeigt. Neben Wien finden sich auch Leuven, Nicosia, Nottingham, Breslau und  Nordrhein-Westfahlen auf ihrer Reiseliste.  

Die „Wanderausstellung“ zum EU Mies Award gibt Einblick ins Siegerprojekt, aber auch in jene der Finalisten und 383 Nominierten. (Bild: BOZAR)
Die „Wanderausstellung“ zum EU Mies Award gibt Einblick ins Siegerprojekt, aber auch in jene der Finalisten und 383 Nominierten.

Sieger des Jahres sind die Büros Frédéric Druot Architecture, Lacaton & Vassal architectes und Christophe Hutin Architecture. Ihr gemeinsames Projekt „Grand Parc Bordeaux“ – die nachhaltige, moderne Sanierung dreier abbruchreifer Wohnblöcke – wurde zwischen 2014 und 2017 realisiert.

Aus Alt (links) mach neu (rechts): Das Siegerprojekt „Grand Parc Bordeaux“ – die nachhaltige Sanierung dreier abbruchreifer Wohnblöcke durch die Büros Frédéric Druot Architecture, Lacaton & Vassal architectes und Christophe Hutin Architecture. (Foto: Philippe Ruault)
Aus Alt (links) mach neu (rechts): Das Siegerprojekt „Grand Parc Bordeaux“ – die nachhaltige Sanierung dreier abbruchreifer Wohnblöcke durch die Büros Frédéric Druot Architecture, Lacaton & Vassal architectes und Christophe Hutin Architecture.

Die Ausstellung demonstriert anschaulich, dass das Sieger-Team auch in der Schlussphase noch starke Konkurrenten hatte. Denn auch die anderen vier Finalisten des EU Mies Award 2019 warteten mit wahrhaft spektakulären Werken auf.

Starkes Finale, spannende Ausstellung

So hielt sich auch das Projekt PC CARITAS im belgischen Melle von architecten de vylder vinck Taillieu bis zuletzt in der engsten Wahl. Ebenso, wie das beeindruckende, vom spanischen Architektenteam selgascano designte Plasencia Auditorium and Congress Centre (siehe auch Beitragsbild). 

Unter den Finalisten: Das Projekt PC CARITAS im belgischen Melle von architecten de vylder vinck Taillieu. (Foto: Filip Dujardin)
Unter den Finalisten: Das Projekt PC CARITAS im belgischen Melle von architecten de vylder vinck Taillieu.

Auch das Projekt Skanderbeg Square im albanischen Tirana von 51N4E, Anri Sala, Plant en Houtgoed und iRI konnte sich für die Endrunde qualifizieren. Und das Terrassenhaus Berlin / Lobe Block von Brandlhuber+ Emde, Burlon und Muck Petzet Architekten zählte ebenfalls zum Kreis der Finalisten.

Terrassenhaus in Berlin (Foto: David von Becker)

Auch das vielseitig nutzbare Terrassenhaus Berlin der Architekten Brandlhuber+Emde, Burlon und Muck Petzet fand sich unter den fünf Finalisten des EU Mies Award 2019 (Foto: David von Becker)

Der im Rahmen des EU Mies Awards ebenfalls vergebene, spezielle Preis für Nachwuchsarchitekten – der mit 20.000 Euro dotierte „Emerging Architect Prize“ – ging 2019 an das Büro BAST. Hier überzeugte die Erweiterung eines Schulgebäudes im französischen Montbrun-Bocage nahe Toulouse die Jury. 

Gelungene Transformationen

Die aus renommierten Experten bestehende Jury hatte aus 383 Nominierten zu wählen. Kein leichtes Unterfangen für die Juroren Dorte Mandrup, George Arbid, Angelika Fitz, Stefan Ghenciulescu, Kamiel Klaasse, María Langarita und Frank McDonald.

Die Themen Umbau, Ausbau und neue Nutzungsmöglichkeiten spielten bei der Auswahl eine gewichtige Rolle. Jury-Mitglied Ștefan Ghenciulescu: „Wie es scheint gibt es ein generelles Bewusstsein, dass das Neue hauptsächlich eine dem Alten hinzugefügte Ebene ist“.   

Neues Leben für den Skanderbeg Platz im albanischen Tirana – designt von 51N4E, Anri Sala, Plant en Houtgoed und iRI. Das Projekt schaffte es in die Endrunde des EU Mies Award. (Foto: Filip Dujardin)
Neues Leben für den Skanderbeg Platz im albanischen Tirana – designt von 51N4E, Anri Sala, Plant en Houtgoed und iRI. Das Projekt schaffte es in die Endrunde des EU Mies Award. 

Die Jury unter dem Vorsitz der dänischen Top-Architektin Dorte Mandrup befand, dass die fünf Finalisten-Projekte offene Programme angehen. Solche, die es den Menschen ermöglichen, unterschiedliche Arten der Raumnutzung zu entdecken. Eine Ansicht, die sich schon durch knappe Projektbeschreibung leicht belegen lässt.

EU Mies Award würdigt Vielseitigkeit

Die Balkone und Wintergärten des Sieger-Projektes in Bordeaux erhöhen Volumen, Helligkeit und Luftqualität der Wohnungen. Diese können nun von den Bewohnern auf vielfältige Weise genutzt werden. PC CARITAS wird zu einer neuen Art öffentlichen Raums in einem bestehenden Gebäude.

Das Kongresszentrum in Plasencia ist nicht nur ein Ort, um Kongresse zu veranstalten. Der Platz in Tirana wird zu einem Saal – einem Ort zum Sitzen, Spielen, Durchgehen und vielen anderen Aktivitäten. Und das Gebäude in Berlin bietet verschiedene Einheiten, die auf unterschiedliche Weise nutzbar sind. 

 

Mit dem „Emerging Architects Prize“ geehrt: Die Erweiterung eines Schulgebäudes im französischen Montbrun-Bocage nahe Toulouse (Foto: Jordi Garcia)
Mit dem „Emerging Architects Prize“ geehrt: Die Erweiterung eines Schulgebäudes im französischen Montbrun-Bocage nahe Toulouse

Das Projekt des Büros BAST durfte sich über den im Rahmen des EU Mies Award verliehenen Nachwuchspreis freuen. (Foto: Jordi Garcia)
Das Projekt des Büros BAST durfte sich über den im Rahmen des EU Mies Award verliehenen Nachwuchspreis freuen.

Dass gleich zwei kollektive Wohnprojekte und zwei öffentliche Räume unter den Finalisten waren, sei nur konsequent, meint EU Mies Award-Jurorin Angelika Fitz. Denn, so die Direktorin des Architekturzentrums Wien: „Der Mangel an leistbarem Wohnraum, wie wir ihn zurzeit in vielen europäischen Städten, aber auch im touristifizierten ländlichen Raum erleben, und das Fehlen von zentralen Infrastrukturen stellen eine Menschenrechtsverletzung dar“. 

Kollektive Wohnprojekte gefragt

Schließlich schreibe Artikel 25 der UN-Menschenrechtserklärung fest, dass jeder das Recht „auf einen Lebensstandard hat, der der Gesundheit und dem Wohlergehen seiner selbst und seiner Familie angemessen ist, einschließlich Nahrung, Kleidung, Unterkunft …“, betont Fitz.

Auch in der Liste der 40 Shortlist-Projekte finden sich sechs gemeinschaftliche Wohnbauten beziehungsweise gemischte Gebäude mit Wohnnutzung. 

Selgascanos Plasencia Auditorium and Congress Centre. (Foto: Iwan Baan)
Selgascanos Plasencia Auditorium and Congress Centre.

Die vielseitige Nutzbarkeit beeindruckte die Jury. (Foto: Iwan Baan)
Die vielseitige Nutzbarkeit beeindruckte die Jury.

Jurorin Fitz: „Der EU Mies Award ist ein Seismograf für das Architekturgeschehen in Europa. Zugegebenermaßen nicht unbedingt für die Masse des alltäglichen Baugeschehens, aber für das transformative Potential, das Architektur im besten Fall auftun kann“.

Architektur beeinflusst Zukunft

Was Architektur zu den großen Fragen unserer Zeit beitragen könne, sei wichtig. Dazu zähle der Umgang mit Ressourcen, aber auch die Wohnungs- und Bodenfrage. Und das, was Architektur in Sachen sozialer, ökonomischer und ökologischer Gerechtigkeit und Zusammenleben in der zunehmend diversen Gesellschaft leisten könne. 

Lebenswert durch Umbau: Das Sieger-Projekt in Bordeaux hat den Bewohnern Licht, Luft und neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnet. Wo Mauern waren (links), sind jetzt Balkone und Wintergärten. (Foto: Philippe Ruault)
Lebenswert durch Umbau: Das Sieger-Projekt in Bordeaux hat den Bewohnern Licht, Luft und neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnet. Wo Mauern waren (links), sind jetzt Balkone und Wintergärten.

„Wenn Architekten und Architektinnen diese Fragen stellen und auf Bauherrn, Nutzer und öffentliche Verwaltungen treffen, die diese Dringlichkeiten teilen, tun sich neue Möglichkeiten für ein gutes Leben auf. Und im besten Falle wirkt der gebaute Möglichkeitsraum, den die ausgezeichneten Projekte aufspannen, in die breite Architekturproduktion zurück“, analysiert die Jurorin.

Wohnraum im Siegerprojekt: Architektur, die Wohlbefinden schafft. (Foto: Philippe Ruault)
Wohnraum im Siegerprojekt: Architektur, die Wohlbefinden schafft.

Grandioses Sanierungsergebnis: Wintergarten im „Grand Parc Bordeaux“. (Foto: Philippe Ruault)
Grandioses Sanierungsergebnis: Wintergarten im „Grand Parc Bordeaux“.

Dazu passen die Vorgaben, auf denen die Preisvergabe des EU Mies Awards basiert. Denn dieser soll Architekturwerke würdigen, die sich durch konzeptionelle, soziale, kulturelle und technische Exzellenz auszeichnen. 

Der Katalog zur Ausstellung...(Bild: mockups-design)
Der Katalog zur Ausstellung…

...erläutert die Projektdetails. (Bild: mockups-design)
…erläutert die Projektdetails.

Mit welchen entsprechenden Innovationen und Konzepten Europas Architekturschaffende zum Wohlbefinden der Menschen und der nachhaltigen Entwicklung europäischer Städte und Dörfer beitragen können, zeigt die Wanderausstellung. Eine spannende Werkschau, die Raum zum Hinterfragen, zugleich aber viele Anregungen und Antworten bietet.  

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: BOZAR, Iwan Baan, Philippe Ruault, Filip Dujardin, Jordi García, David von Becker

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