Gran Fierro
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Viel Beton für wenig Kohle

Weil das schicke Gran Fierro in Prag siedeln musste,  durften die Kreativen von Studio Formafatal das Restaurant binnen fünf Jahren gleich noch einmal gestalten. Beim neuen Design sorgte nun gar der Koch für das Salz in der Suppe …

Es hat beinahe den Anschein, als wäre in Prag die Sehnsucht nach sandgestrahltem Beton ein Teil der architektonischen Identität. Nach gebürstetem Stahl. Nach düster-nüchternem Raumgefühl. Zumindest was die Abendgastronomie betrifft.

Erst vor gut einem Jahr hat mit dem „Moon Club“ ein wirklich ungewöhnliches Lokal im Herzen der tschechischen Hauptstadt seine Pforten geöffnet. Nun ist mit dem Gran Fierro das nächste an der Reihe. Und das zudem in wenig gastfreundlichen Zeiten …

Gran Fierro auf Herbergssuche

Tatsächlich ist das Lokal für die Prager alles andere als neu. Restaurantbesitzer Juan Cruz Pacin gilt als lokaler Promi und seine argentinische Küche als bei Feinschmeckern durch die Bank beliebt. Allein, aufgrund diverser Nachbarschafts-Scharmützel wurde der Gastronom ausgerechnet zu Beginn der Corona-Pandemie dazu gezwungen, seine Wirkungsstätte aufzugeben. Er musste an eine andere Adresse weiterziehen.

Gran Fierro

Gran Fierro

Insofern eine wenig glückliche Geschichte, als dass das Lokal erst 2015 von den Architekten des Studios Formafatal komplett neu gestaltet worden war. Und jetzt muss man kein Wahrsager sein, um zu wissen: Das alte Design passte nicht Eins zu Eins in die neuen Räumlichkeiten.

Neues Spiel, neues Glück

Doch anstatt Trübsal zu blasen, sah der erfahrene Unternehmer die Situation als Chance. Und checkte das Studio Formafatal einfach erneut ein. Es galt aus dem neuen Raum mehr zu machen, als die Gäste erwarten würden. Parallel beschloss er, auch seine Küche mit den gleichen Vorzeichen zu versehen. Um auch hinter dem Herd bald wieder überraschen zu können.

Gran Fierro

Gran Fierro

Juan Cruz Pacin sagt dazu selbst: „Als ich wusste, dass ich das Gran Fierro an einen anderen Ort verlegen musste, war mir bald klar, dass das neue Design das bestehende übertreffen sollte.“ Gleichzeitig aber sollte das Gefühl des alten beibehalten werden. Pacin weiter: „Eben deshalb konnte ich nur den Architekten von Formafatal vertrauen. Sie verstehen die Bedeutung hinter dem Entwurf von Gran Fierro wirklich. Dennoch war es eine enorme Herausforderung, die Elemente des ursprünglichen Konzepts zu nehmen. Sie in einem neuen Raum mit neuen Elementen wirken zu lassen.“

Höchste Ansprüche im Gran Fierro

Vor allem, da er auch noch ein neues Küchenkonzept draufgesetzt hatte, sei die Transformation des Restaurants ein wahrer Kraftakt geworden. „Schließlich mussten wir den höchsten Designansprüchen gerecht bleiben“, so der Perfektionist.

Gran Fierro

Aber bevor wir darauf eingehen, kurz die Eckdaten des neue Gran Fierro: Es umfasst eine Fläche von 390 Quadratmeter (inklusive Gastgarten) und bietet 163 Gästen einen Sitzplatz. Diese wiederum verteilen sich auf drei Hauptteile – den Hauptbereich mit integrierter offener Küche, einen Außenbereich mit Wintergarten und einen hinteren Flügel mit VIP-Lounges.

Holzkohle als neues Heiligtum

All diese Bereiche sollten einer architektonischen Klammer folgen, die eben auf die neue Ausrichtung der neuen Denkweise und Philosophie des Gran Fierro referenziert. Will heißen: Der für das Steak-Restaurant identitätsstiftende Holzkohle-Grill wird nicht mehr mit Holzkohle befeuert. Vielmehr kommt nur noch Biokohle in die Flammen, die aus den Gemüseabfällen der Küche selbst hergestellt wird. Eine Art Endloskreislauf, kann man sagen.

Besonderes zu beton-en

Somit war Architektin und Studio-Gründerin Dagmar Štěpánová schnell klar: Das Thema Holzkohle musste auf besondere Art und Weise in das Gesamtkonzept einfließen. Und so löste die erste dahin abzielende Idee gleich einmal eine komplette Neugestaltung des Lokals aus: Eine Wand aus Holzkohle sollte zum Eyecatcher werden.

Holzkohle und Beton
Holzkohle und Beton

Holzkohle und Beton

Doch abseits dessen, wollte man die Wertigkeit der Holzkohle noch besonders hervorstreichen, oder besser gesagt beton-en: „Die Betonwand des Hauptraumes ist in kleinen Nischen aufgebaut. In jeder schwebt ein Stück Holzkohle. Die Wand fungiert also wie eine Vitrine und die Holzkohle ist wie ein Juwel darin.

Mit diesem visuellen Konzept geht es weiter zur Rückseite des Restaurants, wo zum Beispiel das Gewölbe einer der Lounges aus schwebenden Holzkohlestücken besteht“, präzisiert Dagmar Štěpánová.

Fokus auf rohe Materialien

Sie erklärt weiter: „Das Bemühen, die Originalausstattung und -möbel möglichst weiter zu nutzen, gab bei der Gestaltung zwar die Richtung vor, gleichzeitig aber entwickelte sich das Konzept aufgrund neuer Inputs auch immer weiter.“ Man fing an, sich verstärkt auf rohe Baumaterialien zu fokussieren und ihnen neue Funktionen zuzuordnen.

Freiliegende Träger aus Stahl dienen nun etwa als Basis für Bänke. Eisenstangen gliedern optisch den Raum oder dienen als Regal für eine großzügige Weinsammlung, die eine ganze Wand einnimmt. Geschweißte Drahtgitter wiederum machen Grünpflanzen den Spalier.

Bei all dem Aufwand will man meinen, die Speisen würden gar so teuer, dass der Gastronom womöglich in Ermangelung an Bestellungen bald gar keine Abfälle für seine Biokohle hat.

Aber, alles halb so schlimm: Das Steak gibt’s ab 23 Euro und auch Tripadvisor sagt: Gute Qualität. Guter Preis. Macht 4,5 von 5 Punkten. Ein Wert, den wir gern auf die gelungene Architektur übertragen.

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: BoysPlayNice

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