Das Nanjing Art Center hat den Dreh raus: Basierend auf dreidimensionaler Papierkunst entwarf Studio Link-Arc ein Gebäude, dessen Wände zu Dächern und Böden werden. Und umgekehrt.

Es ist sogar für chinesische Verhältnisse ein gigantisches Stadtentwicklungsprojekt. Im Süden der 9-Millionen-Metropole Nanjing entsteht derzeit nach einem Masterplan von Broadway Malyan ein neuer Stadtteil, in dem einmal eine Million Menschen leben und arbeiten werden. Im Zentrum des Projekts Nanjing New Town steht neben dem Bahnhof für Hochgeschwindigkeitszüge ein neuer, öffentlicher Park. Laut dem Planungsbüro der „Mittelpunkt des Lebens“ im neuen Stadtteil.

Künstlerischer Mittelpunkt von New Town wiederum ist das Nanjing Art Center. An seinem Standort, der südlichsten Spitze der New Town, kreuzen sich drei Flüsse und bilden damit eine Landschaftsform, die „Fischmaul“ genannt wird. Hier entwarf Studio Link-Arc ein Gebäude, dessen lineare Form ein futuristisches Schiff symbolisiert, „das gerade in See sticht, und das schöne Leben in Nanjings Zukunft widerspiegelt“. Das Art Center vereint Architektur und Landschaft, wie es aus dem New Yorker Architekturbüro heißt. Rund um das Center soll demnach der öffentliche Raum zum „Wohnzimmer“ für die Menschen werden.

Nanjing Art Center, Studio Link-Arc

Wie ein Blatt Papier

Das Konzept des Nanjing Art Centers basiert auf dreidimensionaler Papierkunst. Haben sich andere Studios von Origami inspirieren lassen, so nahm man hier Anleihe an einem geschwungenen, in sich gedrehten Blatt Papier: Die Wände des Art Centers werden durch Drehungen um 90 Grad im Inneren zu Böden und außen zu Dächern.

„Der Prozess lässt einen den Raum intensiv erleben, er verbindet Innen und Außen und verleiht dem Gebäude sowohl eine einheitliche Form als auch eine dynamische Präsenz“, so Studio Link-Arc. Das Design schaffe zudem eine Verbindung von Moderne und Tradition. So können Besucherinnen und Besucher des Art Centers eine spirituelle Verbindung mit dem Gebäude erfahren – wie diese auch beim Verweilen in einem in traditionellen fernöstlichen Garten entsteht.

Nanjing Art Center, innen
Im Nanjing Art Museum werden Wände gedreht, …

Nanjing Art Center
… um damit zu Böden zu werden. Und umgekehrt

Stahlstruktur als Raumfachwerk

Das Nanjing Art Center soll als eine kontemplative Abfolge einzelner, aber in sich verbundener Räume verstanden werden. Es stellt darüber hinaus einen deutlichen Kontrast zum hochverdichteten städtischen Kontext dar: Mit dem großzügigen, reflektierenden Pool vor und der üppigen Begrünung hinter dem Gebäude hat das Architekturbüro eine bewusst ruhige Atmosphäre geschaffen.

Die geschwungene Stahlkonstruktion wurde als Raumfachwerk realisiert. Durch diesen strukturellen Ansatz musste man Wände und Decken jedoch dicker als üblich planen, was dazu führen kann, dass das Gebäude überaus massig erscheint. Um den Eindruck des Volumens zu verringern, durchbrechen großflächige Glasfenster die Fassade aus drei Millimeter dicken Edelstahlpaneelen.

Nanjing Art Center, China

Einzigartige Treppe

Um auch hier den futuristischen Charakter des Projekts zu bewahren, hielt man das Innere des Gebäudes so minimalistisch wie möglich. Über den Haupteingang im Erdgeschoß gelangt man in die große Galerie. Natürlicher Lichteinfall sorgt gemeinsam mit den geschwungenen Wänden hier für interessante Licht- und Schattenspiele. Dahinter befindet sich der Stiegenaufgang, der zum oberen Ausstellungsbereich führt. Dieser liegt im „Schiffsbug“ und wird über eine lange Brücke erreicht.

Vom zweiten Stock aus gelangt man dann auf die Dachterrasse sowie zu einem kleinen VIP-Bereich. Die rampenähnliche Treppe unterstreicht das Designkonzept, sie „entsteht durch das Falten einer vertikalen Innenwand in eine horizontale Fläche, wodurch diese zu einer einzigartigen geschwungenen Holzstruktur wird“, sagt Studio Link-Arc.

Nanjing Art Center, Studio Link-Arc
Das Design des Gebäudes erinnert an ein Schiff, …

Studio Link-Arc, Nanjing
… das als Symbol der Zukunft dient.

Der begrünte Innenhof schließlich befindet sich auf der Nordseite des Nanjing Art Centers. Er bietet Besucherinnen und Besuchern ein ganz besonderes Ambiente: Eine Mischung aus lokaler Vegetation und japanischem Steingarten. Auch hier trifft Tradition wieder auf Moderne.

Man darf gespannt sein, wie sich Nanjing New Town (weiter)entwickelt.

Text: Michi Reichelt
Bilder: Wu Qingshan

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