Geht es nach dem italienisch-israelischen Architekten David Fisher, steht in wenigen Monaten der erste rotierende Wolkenkratzer der Welt, bei dem sich jede Etage unabhängig drehen lässt. Doch noch ist Sand im Getriebe des „Rotating Tower“.

Frage nicht: Die Aussicht auf dieses Projekt ist wahrlich atemberaubend! Schließlich soll in Dubai ein Wolkenkratzer entstehen, dessen einzelne Stockwerke unabhängig voneinander verdreht werden können. Außerdem soll dieses Objekt ausschließlich mit erneuerbarer Energie betrieben werden und die Bauwelt ob neuester Bautechniken mächtig aufwirbeln.

Der Anfang des „Rotating Tower“

Bevor wir uns jedoch in den vielen unterschiedlichen Facetten dieses Mega-Projekts verheddern, beginnen wir einfach dort, wo diese ganze Geschichte eben ihren Anfang nimmt. In New York. Es ist irgendwann im Jahr 2005 als Architekt und Designer David Fisher beruflich im Big Apple unterwegs ist. In diesen Tagen wird er auf den Olympiaturm aufmerksam und stellt fest: „… dass man von einer bestimmten Stelle aus den East River und den Hudson River, beide Seiten Manhattans, sehen kann.“

Heute erinnert er sich noch genau an jenen Gedanken, den er damals hatte: „Warum rotiert hier nicht die gesamte Etage? Auf diese Weise könnte jeder sowohl den East River und den Hudson River als auch die St. Patrick’s Cathedral sehen“.

Rotating Tower
Rotating Tower

Vom Gedankengang eines „Rotating Tower“ beseelt, trat Fischer die Heimreise an. In seinem Kopf rotierte es also längst – die architektonischen Grundsteine für das nun vorliegende Projekt wurden noch im Flieger gelegt.

Inzwischen sind die Pläne des Gründers der „Dynamic Architecture Group“ bis ins kleinste Detail ausgereift und großteils auch schon durchgesickert. Was also weiß man von diesem ungewöhnlichen Vorhaben?

Hard-Facts des „Rotating Tower“

Die Hard-Facts besagen, dass der bereits als „Rotating Tower“ bekannte Wolkenkratzer 80 Stockwerke hoch gebaut werden soll. Das bedeutet, dass er 420 Meter in den Himmel ragen wird. Jedes dieser Stockwerke ist als eigene Plattform konzipiert, die sich in beide Richtungen um 360 Grad verdrehen lassen kann. Verankert werden sie alle an einem statischen Betonkern. In diesem Zentrum des „Rotating Tower“ sollen unter anderem die Aufzüge und viele Elemente der notwendigen Haustechnik integriert sein.

Wohn-Karussel für perfekten Ausblick

Konzentrieren wir uns aber vorerst auf den rotierenden USP des spektakulären Gebäudes. Laut dem Architekten selbst soll eine volle Rotation maximal drei Stunden brauchen. Die Bewegung soll vom jeweiligen Bewohner der 1200 Quadratmeter großen Etagen mittels Fernbedienung und Sprachsteuerung kontrolliert werden. Dadurch könne jeder für sich das Tempo der Rotation selbst bestimmen und sein „Wohn-Karussell“ jederzeit beim schönst möglichen Anblick anhalten können.

Rotating Tower

Rotating Tower

Diese Überlegung ist allerdings nicht nur für die zukünfitgen Bewohner interessant. Auch auch aus architektonischem Blickwinkel ist die Sache spannend: Dadurch, dass dieses riesige Hochhaus ständig einer nicht geplanten Bewegung unterliegt, trägt jeder Bewohner zum Erscheinungsbild bei. Während also bei nahezu allen anderen Bauten der Architekt sagt, wie es auszusehen hat, haben hier die Eigentümer das letzte Wort.

28 Millionen fürs schöner Wohnen

Dieses ist jedoch so richtig teuer: Eine der Top-Villen soll 28 Millionen Euro kosten! Dafür hat man dann allerdings nicht bloß den Dreh raus, sondern kommt auch in einen besonderen Garagenluxus: Ein spezieller Aufzug transportiert die Fahrzeuge auf die jeweilige Etage des „Rotating Tower“. Somit ist es möglich, direkt in die eigene Wohnung zu fahren und das standesgemäße E-Auto quasi im Wohnzimmer anzustecken.

Womit wir auch schon beim Nachhaltigkeits-Aspekt des drehbaren Wolkenkratzers angelangt sind: Die gigantischen Dachflächen des inzwischen auch als „Da Vinci Tower“ bekannten Projekts sind mit hochmodernen Solarpanelen ausgestattet. Auf den einzelnen beweglichen Stockwerk-Modulen hingegen werden insgesamt 48 Windturbinen installiert sein, die bei normalen Windverhältnissen bis zu 1.200.000 kWh Energie erzeugen sollen.

Das würde den Berechnungen der Architekten zufolge sogar einen Stromüberschuss ergeben, mit dem fünf angrenzende Gebäude zusätzlich versorgt werden sollen.

Rotating Tower
Nur der Kern ist stabil und statisch. Um ihn werden die Etagen errichtetn.

Rotating Tower
In ihm sind die Haustechnik sowie die hochmodernen Liftanlagen verborgen.

In Anbetracht dieser vielen „Special Features“ drängt sich naturgemäß die Kostenfrage auf. Und: Selbst die Antwort auf diese überrascht! So werden die Kosten für das Projekt auf knapp 300 Millionen Euro geschätzt. Damit ist das Gebäude vergleichsweise zu Dubais anderen derzeit geplanten Projekten relativ preiswert. So werden zum Beispiel die Kosten für den Dubai Creek Tower auf über 1 Milliarde Euro geschätzt.

Maurerkelle ist Geschichte

Diese verhältnismäßig geringe Summe ist laut Fisher auf die von ihm gewählte supermoderne Bauweise zurückzuführen. Er sagt wörtlich: „Die Zeiten der Maurerkelle sind vorbei!“ Damit meint er, dass sein Objekt in einzelnen Modulen in einer Fabrik zu 90 % vorgefertigt werden könnten. In diesen Bauteilen würden sogar schon Küchen- und Badezimmereinrichtungen vorinstalliert werden. Bloß der zentrale und eben statische Kern müsste vor Ort errichtet werden.

Durch diese Methode sei es nicht nur möglich die Bauzeit um 30% zu verkürzen, sondern auch die Kosten um ein Vielfaches zu senken.

Und obwohl Fisher inzwischen mit Leslie Robertson den heute 92-jährigen Konstrukteur des früheren World Trade Centers in New York anheuern konnte, fehlt diesem durchaus ausgereiften Projekt offensichtlich nur noch eine Sache: Der offizielle Baustart.

Tatsächlich ist nicht ganz klar, was oder wer diesem Mega-Unterfangen Sand ins Getriebe streut. Aber wenn man bedenkt, dass es bereits im Jahr 2008 hieß, der Bau würde 2010 eröffnet werden, darf man zurecht skeptisch sein, ob er tatsächlich wie derzeit geplant 2021 finalisiert wird. Dies wurde nun allerdings avisiert.

Auf jeden Fall aber wäre es aus architektonischer Sicht wahrlich schade, wenn diese abgedrehte Sache schlussendlich gar gänzlich abgedreht werden würde.

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Dynamic Architecture Group

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