Wikkelhouse
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So eine coole Schachtel

Unter dem Namen Wikkelhouse hat das Amsterdamer Atelier Fiction Factory ein Haus aus gewickelter Pappe entwickelt. Das Teil ist nachhaltig, stylish – und hält tatsächlich 100 Jahre!

Was waren das für unbeschwerte Zeiten! Als wir aus dem großen Karton vom Möbel-Einkauf der Eltern einfach im Handumdrehen ein kleines Eigenheim ins Kinderzimmer gestellt haben. Noch schnell ein paar Löcher reingeschnitten und schon hatten wir auch Tür und Fenster „eingebaut“.

Wikkelhouse weckt Kinderträume

An derartige Kinderabenteuer fühlt man sich in Anbetracht des Wikkelhouse-Konzepts zwangsläufig erinnert. Denn: Dieses Haus besteht tatsächlich fast ausschließlich aus Pappkarton! Damit will das in Amsterdam ansässige Studio Fiction Factory die Vision einer 100 Prozent nachhaltigen Bauweise neuen Schwung verleihen. Und – Spoiler: Das gelingt tatsächlich. Dazu aber später mehr.

Wikkelhouse

Wikkelhouse

Die Grundidee des Wikkelhouse ist jedenfalls ebenso simpel wie bestechend: Das Wikkelhouse, dessen Name sich vom niederländischen Wort „wikkelen“ ableitet, was im Deutschen „einwickeln“ bedeutet, besteht aus genau 24 Schichten Pappe.

Holz auf Pappe

Hergestellt werden diese allesamt aus skandinavischen Bäumen. Die einzelnen Schichten werden schließlich mittels eines Naturklebstoffs verklebt, wodurch eine „stabile und isolierende Sandwich-Struktur entsteht“, erklären die Designer. Danach wird dieser Kern innen und außen mit einer Holzverkleidung versehen. Dadurch wird die Sache nicht nur stabiler – das Wikkelhouse wird auf diese Weise jedenfalls auch optisch zum Hingucker.

Drei Mal umweltfreundlicher

Aufgrund dessen, dass diese Form des Hausbaus auch fast zu 100 Prozent in einer Fertigungshalle passiert, fallen beim Aufbau selbst so gut wie keine Arbeiten mehr an. Ein Wikkelhouse wird innerhalb eines einzigen Tages errichtet! Dadurch sei das Konzept in Summe drei Mal umweltfreundlicher als jede klassische Bauweise, so die Wikkelhouse-Erfinder.

Wikkelhouse

Allein das Thema Individualität wird nur bedingt bedient. So gibt es schlichtweg ein Modul, das alle Stückerl spielt. Mit einer Tiefe von 1,20 Metern, einer Länge von 4,60 Metern und der Höhe von 3,50 Metern wiegt jedes Modul 500 Kilogramm und definiert einen fünf Quadratmeter großen Bereich, der sich nach Belieben mit weiteren Segmenten kombinieren lässt.

Wikkelhouse nach Lego-Konzept

Sprich: Wer als Kind gern Lego gespielt hat, ist klar im Vorteil. Einfach Stein auf Stein – oder Modul an Modul setzen und so das Eigenheim errichten. Allerdings geht es nur in der Horizontalen – eine mehrstöckige Lösung wurde noch nicht gefunden. Aber: Man kann selbst definieren, wo denn die Fenster platziert sein sollen.

Nutzung bleibt variabel

Die Vorteile sind aber dennoch nicht von der Hand zu weisen. So bleibt etwa die Nutzung jedes Wikkelhouse dem jeweiligen Eigentümer selbst überlassen. Vom Wohn-, Garten- oder Ferienhaus, Homeoffice oder Spielhütte, Unterbringung für Gäste bis zum Hausboot und zum Messestand ist alles denkbar. Und: Wenn man siedeln will, kann man das gesamte Haus einfach abbauen und an einem anderen Ort binnen eines Tages wieder errichten.

Wikkelhouse

Auch ist die Erweiterung der Wohnfläche ein Kinderspiel: Einfach noch ein Modul schnappen und zubauen. „Wenn etwa die Familie wächst, kann das Haus immer aufs Neue erweitert werden“, sind die Entwickler stolz. Allerdings sollte man ein bisschen Geld zur Seite legen. Denn nur weil hier Pappe als Baustoff verwendet wird, ist die Sache nicht zwingend billig.

Auch kein Pappenstiel

Eine kurze Beispielrechnung: Die Grundfläche pro Bauteil beträgt fünf Quadratmeter. Ein Teil kostet ohne Transport und Aufbau 30.000 Euro. Macht bei einer Wohnfläche und 50 Quadratmeter also 300.000 Euro. Das ist wahrlich kein Pappenstiel. Allerdings hält das Gebäude genau so lang, wie jeder andere Bau – 50 Jahre werden garantiert, 100 Jahre versprochen.

Dafür sorgt vor allem ein Stoff, der sich Miotex nennt. Eine wasserabweisende, aber dennoch atmungsaktive Membran, die einfach auf die Außenhülle aufgetragen wird. Wenn man diesen Miotex-Film alle 30 Jahren erneuert, kann kein Wasser dem Kartonhaus etwas anhaben.

Pappe ist ein unterschätztes Material. Es gibt kein Material, das so leicht, stabil und isolierend ist.

Rock Buchter, Wikkelhouse

Schließlich kann Pappe weit mehr, als wir uns das vorstellen, betont Rick Buchter von Wikkelhouse. „Pappe ist ein unterschätztes Material. Es gibt kein Material, dass so leicht, stabil und isolierend ist. Die meisten Menschen denken an einen Karton oder einen Briefumschlag. Jeder glaubt, dass ein Papp-Haus nicht funktionieren kann. Aber es funktioniert sogar wunderbar. Wir sind es nur noch nicht gewohnt.“

Schon 100 Wikkelhouses errichtet

Genau das dürfte sich langsam, aber sicher ändern. Als Erfinder Oep Schilling 2015 den ersten Prototypen fertigstellte, wurde er noch mitleidig belächelt. Heute ist die Erfindung ausgereift. In den vergangenen Jahren wurden bereits 100 Wikkelhouses errichtet. Tendenz stark steigend.

Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Fiction Factory | Wikkelhouse

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