Rasant wachsenden Schlingpflanzen gleich, nimmt ein neuer Wohntrend unsere Lebensräume in Beschlag: Urban Jungle heißt der Spaß, dem vor allem erklärte Stadtpflanzen frönen.

Die Sache mit den Topfpflanzen war in der Vergangenheit eine wenig hippe Angelenheit: Manche assoziierten mit Ficus Benjamin und seinen immergrünen Freunden bloß (spieß)bürgerliches Oma-Dasein, andere einfach nur amüsante Liedtexte aus der Feder von Josef Hader.

Aus Urban Gardening wird Urban Jungle

Als cooles Deko-Element oder gar als Trend-Accessoires galten Zimmerpflanzen in den letzten Jahren jedenfalls nicht wirklich. Wenn, dann war von „Urban Gardening“ die Rede, deren berühmteste Verfechterin Fiona Swarovski wohl bis heute andächtig Tomaten, Paprika und Zucchini auf ihrer Terrasse anbaut und hoffentlich auch erntet.

Doch nun zieht sich dieser grüne Faden plötzlich direkt weiter vom Balkon ins Wohnzimmer! Soll heißen: Es ist auf einmal en vogue, die heimatlichen vier Wände nicht bloß einer Alibi-Orchidee zu überlassen, sondern tatsächlich mit möglichst viel Grünzeug vollzustopfen! Das geht teilweise soweit, dass ganze Kräutergärten in Wohnzimmern gedeihen oder Mini-Gewächshäuser im Gästezimmer Platz finden.

Und weil diese Form der Wohnraumbegrünung gerade in Großstädten aufblüht, liegt die Vermutung nahe, dass damit ein gewisses Manko ausgeglichen werden soll. Dass es am Ende um die Sehnsucht nach der von uns verdrängten Natur geht, wie Deutschlands Interior-Guru Axel Schäfer betont: „Die Menschen geben der Sehensucht nach, die Natur ins Haus oder in die Wohnung zu holen. Das stellt einen Ausgleich für den städtischen Alltag darf, der oft hektisch und stressig ist, den Straßenverkehr sowie die berufliche Belastung.“ Für ihn ist der Einrichtungsstrend „Urban Jungle“ einfach die logische Weiterführung des „Urban Gardenings“ in die eigene Wohnung oder auch den Arbeitsplatz.

Wo liegen die Trend-Wurzeln?

Trotzdem bleibt die Frage, wo die städtische Pflanzeninvasion ihren Anfang genommen hat. Der Schweizer Trendforscherin Joan Billing ließ diese jedenfalls keine Ruhe. Und so ist sie kurzerhand dem Thema bis zu seinen Wurzeln gefolgt – und bei der Londoner Designerin Ilse Crawford rausgekommen.

Die international höchst erfolgreiche Innenarchitektin hat nämlich 2015 mit dem schwedischen Möbelgiganten Ikea eine Kooperation geschlossen, die unerwartet viel Staub aufwirbelte: Ihre visuelle Inszenierung zeigte eine Atelierstimmung wie in einer Gärtnerei mit Korktischen, Hockern und Bänken. Indoor und Outdoor verschmolzen zu einem. Spätestens damit wurde der Trend „Guerilla Gardening“ definitiv nach innen verlegt, und Pflanzen wurden endgültig zum neuen Interiortrend.

„Dies ist sicher einer der Auslöser des heutigen ,Urban Jungle‘- Trends“, ist sich Billing sicher. Und sie untermauert auch Axel Schäfers Sehnsuchts-These in dem sie den Ursprung dieser enttarnt: „Nach den schnellen, kühlen, weissen und futuristischen 00er-Jahren suchen wir nun nach einer natürlichen, rauen, Unpluggedversion, nach Echtheit und Authentizität.“

Eben diese Lust auf Authentizität mitten im Schlafzimmer ist offenbar wahrlich groß: Möbelgiganten „gießen“ den Trend nicht bloß mittels wohnlicher Beispiele – längst finden sich Blumenmotive auf allen Arten von Bezügen und Dekoteilen. Und eine Vielzahl an Blogs beschäftigt sich ausschließlich damit. Wie jener von Igor und Judith, die sich schlicht als „Urban Jungle“-Blogger bezeichnen. Sie haben ihr ganzes Glück im Begrünen der eigenen vier Wände gefunden und sind sich sicher: „Pflanzen machen das Haus nicht nur gemütlicher, sondern auch gesünder!“

Vorausgesetzt, die grünen Pflegewesen stressen die Bewohner ob diverser notwendiger Pflegemaßnahmen nicht. Doch selbst für Großstadtpflanzen ohne grünem Daumen haben die beiden einen ultimativen, wenn auch etwas spießigen Tipp auf Lager: Einfach auf Kakteen setzen – die überleben jegliche Vernachlässigung

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Sukkulenten wie diese sind leicht zu pflegen und passen überall hin.

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