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Von Weimar nach Cupertino in 100 Jahren

Die iPhones wurden im Prinzip bereits 1919 gestaltet, und zwar in Thüringen. Wie bitte? Bei genauer Betrachtung offenbaren viele Apple-Kreationen die gekonnte Reduktion der legendären Kunstschule Bauhaus. 

Die historische „Kunstschule“ Bauhaus, von dem Architekten Walter Gropius 1919 in Weimar gegründet und ab 1925 in Dessau angesiedelt, bestand bis 1933. In nur 14 Jahren wurde das Bauhaus zu einer der einflussreichsten Bildungsstätten in den Bereichen Architektur, freier und angewandter Kunst und Design. Bis ins 21. Jahrhundert und tief in unseren aktuellen Alltag hinein wirkt das Bauhaus – oft ohne, dass das auf den ersten Blick zu erkennen ist.  

100 Jahre Bauhaus, Bauhausgebäude Dessau
Das Bauhausgebäude Dessau entstand von 1925 bis 1926 nach Plänen von Walter Gropius. Seit 1996 ist der Gebäudekomplex Teil der Welterbestätte Bauhaus.

Visionär und trans-disziplinär 

Gropius gelang es, zahlreiche avantgardistische Köpfe „transdisziplinär“ an einem Ort zu versammeln. Größen wie Lyonel Feininger, Johannes Itten, Gerhard Marcks, Paul Klee, Oskar Schlemmer, Marcel Breuer und Wassily Kandinsky lehrten am Bauhaus. Sie prägten dessen Aufbruchsstimmung und beeinflussten zahlreiche, später weltbekannte Gestalter. Das Kurrikulum umfasste Bildhauerei, Metallwerkstatt, Tischlerei, Wandmalerei, Weberei und Buchdruckerei. In jeder dieser sechs „Werkstätten“ wurde bahnbrechende Arbeit geleistet. Bis heute gilt das Bauhaus weltweit als die Avantgarde der klassischen Moderne und als Pionierstätte für hochfunktionale, ebenso einfache wie zeitlose Architektur und formalästhetische Industrieprodukte. Kurz, und damit dem Thema sehr angemessen, fasste der wegweisende Architekt Ludwig Mies van de Rohe den Bauhaus Ansatz zusammen: „Weniger ist Mehr.“     

100 Jahre Bauhaus
Das Bauhaus-Logo wurde 1922 von Oskar Schlemmer entworfen.

Einfach konsequent reduzieren

Wie präzise und visionär am Bauhaus gedacht, entworfen und gebaut wurde, lässt sich bis heute an vielen der innovativsten Alltagsgegenständen ablesen. Das Design der Apple iWatch, beispielsweise, ist an eine Tischuhr von Marianne Brandt aus den 30er Jahren angelehnt. Marianne Brandt war zunächst Studierende am Bauhaus und dort 1928/1929 stellvertretende Leiterin der Metallwerkstatt. Ihre für die Ruppel-Werke entworfene Uhr ist an Reduktion und Ablesbarkeit kaum zu überbieten – und wohl gerade deshalb vorbildlich geblieben.  

Die berühmte Tischuhr hat Marianne Brandt in den 30er Jahren für die Ruppel-Werke entworfen.

Bestseller ohne Verfallsdatum

Auch Max Bill, Bauhaus Schüler wie Brandt und später Gründer der Hochschule für Gestaltung in Ulm, sah in der Reduktion auf das Wesentliche die eigentliche Aufgabe des Designers. Der Ulmer Hocker und seine bewusst sehr schlicht gehaltenen Ziffernblätter für Junghans Uhren sind seine bekanntesten Arbeiten. Wie viele andere Bauhaus-Entwürfe für Stühle, Sofas oder Lampen, sind sie zu Klassikern geworden und als Re-Editionen weltweit gefragt.

100 Jahre Bauhaus Ulmer Hocker von Maxi Bill
Der Ulmer Hocker gehört zu den meistbeachteten Arbeiten des Schweizer Architekten, Künstlers und Formgestalters Max Bill.

Produkt-Design, wie es sein soll

Der Ulmer Schule stand auch der inzwischen 87jährige Dieter Rams nahe. Als Leiter der Formgebung bei Braun prägte er bis 1995 mehr als 30 Jahre lang das Produkt-Design des Unternehmens. Von HiFi-Komponenten, Taschenrechnern, Weckern und Tischfeuerzeugen bis hin zu einer Zitruspresse stammen viele Braun-Geräte aus seiner Feder. Und wie ein Side-by-Side Vergleich anschaulich beweist, war sein Transistorradio T3 aus dem Jahr 1958 seiner Zeit Lichtjahre voraus. 

Das Transistorradio T3 von Dieter Rams (1953) versus dem ersten iPod von Steve Jobs (2001)

2001 hat Steve Jobs mit dem ersten Apple iPod eine Hommage an den von ihm sehr geschätzten Dieter Rams auf den Markt gebracht. Großer Respekt bestand offenbar auf beiden Seiten und auch anhaltend. Denn der betagte Rams gab das Kompliment galant zurück: „Die Firmen, die Design wirklich ernst nehmen, können Sie an zehn Fingern abzählen. Apple gehört dazu.“ Der Grande des Industrie-Designs und das Genie des Marketing teilten also dieselbe Ambition. Auch Jonathan Ive, Chief Design Officer bei Apple bekennt sich klar zu dem „maßgeblichen Einfluss“ von Ram’s Arbeiten und Design-Prinzipien. 

Nach wie vor mitten im Leben

Dass das Bauhaus bis heute – unter anderem bei Apple – sehr erfolgreich mitgestaltet, ist nicht nur für das Auge erfreulich. Es erleichtert auch das Leben und Arbeiten in einer immer komplexeren High-Tech-Welt. Erstaunlich ist es allerdings schon, dass eine der wertvollsten Marken der Welt, eben Apple, ihre Strahlkraft auch einer zunächst sehr kleinen Gruppe radikal neu Denkender aus dem beschaulichen Dessau verdankt. 

Text: Tobias Sckaer

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