In der Hamburger HafenCity beginnen gerade die Bauarbeiten für ein Haus, das pro Jahr 42 Tonnen Sauerstoff produziert und 6,2 Tonnen CO₂ bindet. Das Cradle-to-Cradle-Hochhaus Moringa ist obendrein zu fast 100 Prozent recycel- und kompostierbar.

Der Moringabaum stammt ursprünglich aus Nordindien und gilt als eines der nährstoffreichsten Gewächse der Welt. Dies hat ihm den Beinamen Wunderbaum eingebracht. Ein Hochhausprojekt im Südosten von Hamburgs HafenCity trägt denselben Namen und hat den Anspruch, das gesündeste Wohnhaus Hamburgs zu werden. Gemäß dem Entwurf des Architekturbüros Kadawittfeldarchitektur wird das Hochhaus durch seine begrünte Fassade die Luft verbessern und die Umgebung kühlen.

Moringa Hamburg, kadawittfeldarchitektur, Moringa GmbH by Landmarken
Das Moringa in der Hamburger HafenCity will das gesündeste Wohnhaus Hamburgs werden.

Das von der Moringa GmbH entwickelte Pilotprojekt soll außerdem als erstes Wohnhochhaus Deutschlands nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip errichtet werden. Einen ähnlichen Plan verfolgt das C2C-Projekt Woodscraper in Wolfsburg, für das es allerdings noch keinen zeitlichen Umsetzungsplan gibt. Im Elbbrückenquartier ist das Moringa jedenfalls in guter Gesellschaft. In unmittelbarer Nähe wird gerade am Roots gebaut, Deutschlands höchstem Holz-Hochhaus.

Alles bleibt im Kreislauf

Cradle-to-Cradle bedeutet vereinfacht gesagt: Das Haus besteht aus gesunden Materialien, die entweder schon recycelt sind oder sich in Zukunft recyceln lassen. Dabei wird das Gebäude als Materiallager verstanden, das am Ende seiner Lebensdauer in die Materialkreisläufe übergeht und somit restlos wiederverwertet wird. Im Fall des Moringa sind 94 Prozent der verbauten Materialien entweder recycling-, upcycling- oder downcyclingfähig.

Moringa Hamburg, kadawittfeldarchitektur, Moringa GmbH by Landmarken
94 Prozent der verbauten Materialien sind entweder recycling-, upcycling- oder downcyclingfähig.

Das gelernte Denken, dass der Bau eines Gebäudes Müll und Entsorgungskosten produziert, soll damit der Vergangenheit angehören. Stattdessen wird durch den Urban-Mining-Gedanken ein Mehrwert geschaffen. „Es ist wichtig, dass wir uns radikal erneuern“, ist Moringa-Geschäftsführer Vanja Schneider überzeugt.

Es ist wichtig, dass wir uns radikal erneuern.

Vanja Schneider, Geschäftsführer Moringa GmbH

Die Bau- und Immobilienbranche trage eine große Verantwortung für die Umwelt. „Immerhin verursachen wir 53 Prozent des weltweiten Abfallaufkommens, verbrauchen über 50 Prozent unserer Rohstoffe und verursachen ein Drittel der CO₂-Emissionen“, so der Bau- und Wirtschaftsingenieur, der zuletzt für das Projekt The Cradle im Düsseldorfer Medienhafen verantwortlich war.

Moringa Hamburg, kadawittfeldarchitektur, Moringa GmbH by Landmarken
Die begrünte Fläche ist insgesamt größer als die Fläche, die durch den Bau des Gebäudes versiegelt wird.

Moringa Hamburg, kadawittfeldarchitektur, Moringa GmbH by Landmarken
Das Gebäude wird zum Lager von Rohstoffen, die in einem eigenen Materialpass vermerkt sind.

Mehr Begrünung als versiegelte Fläche

Der Vorzeigebau an der Hafenkante wird einen positiven Beitrag zum Stadtklima leisten, so ist man überzeugt. Die intensive Begrünung der einzelnen Bauteile und Zwischenflächen soll nicht nur den künftigen Bewohnern, sondern der ganzen Stadt zugutekommen. An der Fassade ranken sich Kletterpflanzen empor, und die begrünten Flächen im Innenhof und am Dach bieten zudem Flächen für Urban Gardening. So entsteht horizontal und vertikal mehr Grünfläche als Boden versiegelt wird. 

Die grüne Fassade übernimmt kühlende und luftreinigende Funktion, erzeugt Sauerstoff, trägt zur Biodiversität in der Stadt bei, prägt den Lebensraum der Bewohner und bestimmt das Gebäude gestalterisch mit.

Kadawittfeldarchitektur

„Die grüne Fassade übernimmt kühlende und luftreinigende Funktion, erzeugt Sauerstoff, trägt zur Biodiversität in der Stadt bei, prägt den Lebensraum der Bewohner und bestimmt das Gebäude gestalterisch mit“, heißt es in einer Erklärung des Architekturbüros. Im Jahr komme das Gebäude auf eine Produktion von 42 Tonnen Sauerstoff, während die lebende Fassade gleichzeitig 6,5 Tonnen CO₂ binde, wie Architekt Gerhard Wittfeld vorrechnet.

Co-Living und Co-Working

Die Wohnformen im Moringa werden sehr vielfältig sein und dem demografischen Gefüge der Stadt entsprechen. In keiner anderen Großstadt Deutschlands gibt es so viele Singles wie in Hamburg. Laut einer aktuellen Statistik lebt in 52 Prozent aller Haushalte nur eine Person. Dieser Zielgruppe möchte man im Moringa ein spezielles Co-Living-Konzept bieten und nebenbei den hohen Pro-Kopf-Flächenverbrauch in Hamburg senken.

Moringa Hamburg, kadawittfeldarchitektur, Moringa GmbH by Landmarken
Für Singles bietet das Moringa ein spezielles Co-Living-Konzept.

Durch Wohngemeinschaften, Co-Working-Spaces und gemeinschaftlich genutzte Flächen lassen sich Synergien nutzen, und der Wohnraum kann auf das Wesentliche beschränkt werden. Über eine eigene Community-App haben die Bewohner die Möglichkeit, sich miteinander zu vernetzen und auszutauschen. 

Mit gutem Beispiel voran

Eine erste Auszeichnung für das nachhaltige Immobilienprojekt gibt es bereits. Das von der Landmarken AG initiierte Projekt erhielt den polis Award 2022 als beste Projektentwicklung in der Kategorie „Ökologische Wirklichkeit“.

Im Frühjahr 2026 soll das Moringa Hamburg bezugsfertig sein. Mit dem grünen Pilotprojekt will man als gutes Beispiel vorangehen und auch andere von der Sinnhaftigkeit der Kreislaufwirtschaft überzeugen, wie Schneider erklärt. „Unsere Vision ist es, die Branche derart zu motivieren, dass in zwei bis drei Jahren mindestens 30 Prozent aller Neubauvorhaben nach diesem Prinzip realisiert werden, und es spätestens in fünf Jahren auch verpflichtend für alle Neubauvorhaben angewendet wird.“

Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: kadawittfeldarchitektur, rendertaxi, Moringa GmbH by Landmarken

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